Archiv der Kategorie: Kunst

Was ist der Stoff, aus dem Gemälde sind? Susanne Paesler im Schauwerk Sindelfingen

Lange Zeit waren Künstlerinnen auf das beschränkt, was man heute gern als angewandte Kunst definiert: Sie fertigten Stickereien an, entwarfen Wandteppiche, die zwar schon künstlerische Gestaltungsmerkmale aufwiesen, aber eben doch noch ganz dem verhaftet waren, was man als typisch weibliche Tätigkeit ansah: Handarbeit. Wenn in unseren Tagen eine Künstlerin wie Rosemarie Trockel ihre Arbeiten strickt oder Herdplatten illusionistisch exakt nachbildet und an die Wände hängt, dann weist sie demonstrativ – und mit einem Schuss sarkastischer Ironie – auf dieses Phänomen hin. Auch Susanne Paesler, die zehn Jahre nach Rosemarie Trockel geboren wurde, verwendete „weibliche“ Materialien wie Stoffmuster, zielte damit aber in eine ganz andere Richtung, wie jetzt eine Retrospektive dieser mit 43 Jahren 2006 verstorbenen Künstlerin im Schauwerk Sindelfingen zeigt.

 

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Zwischen spontaner Natürlichkeit und symbolischer Verdichtung: Ernst Ludwig Kirchner in der Stadthalle Balingen

Sie wollten sich befreien von den Zwängen der akademischen Malerei, wollten ganz der Spontaneität leben und sie künstlerisch verarbeiten – die Künstler, die sich 1905 unter dem Namen „Brücke“ zusammentaten und nicht selten gemeinsam arbeiteten – und sich vergnügten. Wenn man badete, dann möglichst nackt, Freiheit war Trumpf, Naturalismus war verpönt, es galt der innere Ausdruck. Einer der maßgeblichen Vertreter dieser Gruppe, vielleicht sogar der programmatischste, war Ernst Ludwig Kirchner. Eine Ausstellung in Balingen lenkt jetzt den Blick eher auf die Erotik seiner Kunst – auf den Akt, auf die Halbwelt der Prostituierten, auf den Tanz.

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                            Erich Heckel und Otto Mueller beim Schach, 1913, Brücke-Museum Berlin

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„Angewandt“ oder „frei“? Willi Baumeisters Kunst auf Papier

Noch immer hat die so genannte „angewandte Kunst“, hat das Design bei vielen Kunstfreunden einen Hautgout: Was da in Form von Plakaten oder Produktformen entsteht, hat nicht den Adel der hohen Kunst, sondern dient einem bestimmten Zweck. Dass diese strikte Trennung zwischen hoher „freier“ und angewandter (also „unfreier“) Kunst in unserer Zeit nicht mehr gelten sollte, ist nicht zuletzt dem Bauhaus zu verdanken, das sich in den 20er und frühen 30er Jahren für die Verbindung von Kunst und Handwerk einsetzte. Aber auch Künstler, von denen man eine solche Annäherung nicht unbedingt erwartet, haben sich schon früh für eine Verbindung beider Sparten eingesetzt. Willi Baumeister, für viele ein Inbegriff der abstrakten modernen Kunst des 20. Jahrhunderts, zählte zu ihnen, wie jetzt eine Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart deutlich macht: „auf papier“ – heißt sie, und scheint auf den ersten Blick eine ganz andere Seite dieses Künstlers zu zeigen, als man gewohnt ist…

 

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Die Kunst des Zitats: Monika Nuber und Katrin Ströbel im Spendhaus Reutlingen

Wer etwas zitiert, bedient sich einer Vorlage, er reiht sich ein in eine Tradition und eröffnet Assoziationshorizonte, denn der Inhalt des Zitats scheint stets hindurch und wird doch durch einen neuen Kontext, eine leichte Variation zu etwas völlig Neuem. Dieses Spiel zwischen Übernahme und zarter Andeutung kann man derzeit im Reutlinger Spendhaus verfolgen. Monika Nuber und Katrin Ströbel, zwei auf Druckgraphik spezialisierte Künstlerinnen aus Stuttgart, waren eingeladen, in der Reutlinger Kunstsammlung zu stöbern, die ihrerseits auf Druckgraphik, genauer, den Holzschnitt, spezialisiert ist. „Ping Pong“ hieß das Resultat vor einem Jahr – ein Dialog, denn die beiden Künstlerinnen beschränkten sich nicht darauf, eine subjektiv geprägte Auswahl aus der Sammlung zu präsentieren, sie stellten den älteren Werke ihre eigenen künstlerischen Antworten gegenüber.

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                                Philipp Bauknecht. Alpabtrieb © Städtisches Kunstmuseum Reutlingen

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Zwischen Leben und Tod – Die Schifffahrt in der Kunst von heute

Am Anfang dürfte die Notwendigkeit gestanden haben, neue Nahrungsgründe aufzutun – nicht auf dem Erdboden, sondern im Wasser –, und so war die Entdeckung, dass schlichte Holzstämme, sorgsam ausgehöhlt, in der Lage sind, sich selbst sowie Menschen und Gegenstände über Wasser zu halten: Die Schifffahrt war geboren. Die Weiterentwicklung physikalischer Erkenntnis erlaubte den Bau selbst großer Wasserfahrzeuge, die in unseren Tagen durchaus auch aus schwerem Stahl bestehen und mehrere tausend Menschen tragen können. Doch die Schifffahrt hat auch eine Kehrseite: Ob Titanic oder das Floss der Medusa – immer wieder sah sich die Menschheit mit dem möglichen katastrophalen Ausgang einer solchen Seereise konfrontiert, und Künstler haben sich des zwiespältigen Wesens dieser Forstbewegungsmöglichkeit angenommen, so jetzt in einer Ausstellung in de Kreissparkasse Rottweil.

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Gerhard W. Feuchters Papierkunst

Wenn heute ein Student an der Akademie eine Zeichen- oder Malklasse besucht, dann steht ihm als Ausgangsmaterial Zeichenpapier oder Leinwand zur Verfügung. In früheren Jahrhunderten hat man auch auf Holzplatten gemalt. Das alles ist nicht mehr als der Grund, auf dem das spätere Kunstwerk entstehen soll. Der Tübinger Künstler Gerhard Feuchter geht in seinen Arbeiten einen Schritt in diesem Produktionsprozess zurück. Er bemalt nicht fertiges Papier – er stellt sein Papier erst einmal her, nach Jahrhunderte alten Verfahren – und weil das Papier, das er dabei erhält, nichts mit dem zu tun hat, was man im Handel erwerben kann, sehen auch seine Arbeiten, die er aus diesen Papieren herstellt, anders aus als herkömmliche Zeichnungen.

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Zerreißprobe für die Kunst – Collage und Décollage in der Galerie Stihl

Es war eine Revolte, die sich gegen alles richtete, was das bürgerliche Leben ausmachte, nicht zuletzt auch die Werte, die diesem Leben zugrunde lagen. Der Zufall sollte regieren, der Alltag sollte das Material liefern – so wollten es jene Künstler, die vor hundert Jahren nach neuen Wegen suchten und sich unter dem Namen Dada zusammenfanden, wobei es charakteristisch für diese Kunstform ist, dass bis heute der Begriff die verschiedensten Erklärungen gefunden hat, ohne dass eine von ihnen besonders schlüssig wäre. Inbegriff dieser Kunstrichtung war die Collage in jederlei Hinsicht: Sei es, dass Silben und :Klänge zu oftmals sinnlos wirkenden Gebilden verknüpft wurden (wovon in unseren Tagen noch ein Helge Schneider profitiert), sei es, dass aus Fetzen des Alltagslebens neue Bilder entstanden – wie derzeit vor der Waiblinger Galerie Stihl. Dort steht seit Neuestem eine große Wand, auf die jeder Papierfetzen aufkleben kann – eine Art kollektiver Collage soll entstehen.

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Gut oder schlecht – der öffentliche Raum als künstlerischer Denkanstoß

Hundert Jahre lang war er ein privater Garten in Esslingen, ein Landschaftspark rund um die Villa der Industriellenfamilie Merkel, seit rund vierzig Jahren ist er der Öffentlichkeit zugänglich, inklusive der in das Städtische Museum der Stadt umgewandelten Villa – ein sogenannter „öffentlicher Raum“ also. In den nächsten Monaten kann man hier ungewöhnlichen Bauwerken begegnen, Teile einer Ausstellung in der in der Villa Merkel eingerichteten Städtischen Galerie. einem schwimmenden Biotop etwa. Aus billigsten Materialien ist mittels Holzlatten, Plastikplanen und einer Solarzelle ein Gewächshaus entstanden, in dem die Pflanzen aus dem Untergrund, auf dem das Haus schwimmt, mit Wasser versorgt werden, das mittels Sonnenenergie nicht nur nach oben gepumpt, sondern auch noch aufbereitet, d.h. von Schadstoffen befreit wird. Kunst also im öffentlichen Raum, sinnigerweise bereits vor den Toren des Museums im Park, einem öffentlichen Raum als, schließlich geht es um die Frage, wie gut solche Räume sind oder sein könnten: „Good space“.

 

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Von der Linie in den Raum: Katharina Hinsbergs Farbfelder

Eine Linie auf einem Blatt Papier ist die Verbindung zwischen zwei Punkten. Katharina Hinsberg war mit dieser Definition offenbar nicht ganz zufrieden; vor zwanzig Jahren begann die Künstlerin mit ihrer eigenen Erkundung dieses Phänomens, zog auf einem Blatt eine Linie mit dem Lineal, legte ein zweites Blatt darüber, zeichnete die Linie freihändig nach usw., bis Hunderte von Blättern übereinander lagen und die Endpunkte auf dem Papierblock eine Zackenlinie bildeten und so deutlich machten, wie unzuverlässig die frei zeichnende Hand ist. Wer ihre neueste Arbeit im Kunstmuseum Ravensburg betrachtet, wird sich freilich die Frage stellen: Wo ist hier die Linie geblieben?

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Vom Augenblick des Sehens zur reinen Farbe: Impressionisten in der Staatsgalerie Stuttgart

Letztlich malten sie nicht viel anderes als ihre akademischen Vorläufer des 18. Jahrhunderts. Auch die Impressionisten widmeten sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich der Landschaft, dem Porträt, ja sogar Menschen bei der Arbeit, also dem so genannten Genrebild. So ist es durchaus konsequent, wenn die Staatsgalerie Stuttgart nun eine Ausstellung zu dieser Malepoche in solche klassischen Kapitel unterteilt. Doch was den Impressionisten zu diesen Motiven auf der Leinwand gelang, hat nichts mehr mit der realistisch geprägten akademischen Malerei des 18. Jahrhunderts zu tun. Wurden da stämmige Bäume, markante Gesichter und Bauern bei der Arbeit porträtiert, mit kräftigem Strich und starken Farben, löste sich bei den Impressionisten alles Feste, Gegenständliche auf in Farbtupfer.

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Pissarro, Der Gärtner, 1899 © Staatsgalerie Stuttgart

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