Archiv für den Monat: November 2018

Gesetzmäßigkeiten der Tragik: Shakespeares Romeo und Julia am Schauspiel Stuttgart

Es ist eine der folgenreichsten Tragödien der Literaturgeschichte. Die tragisch endende Liebe zwischen Romeo und Julia aus zwei verfeindeten Adelshäusern bereicherte die Kinoleinwand, den Broadway, die Welt des Musicals – und die Stadt Verona, nicht zuletzt wegen des Balkons, von dem herab Julia ihrem Romeo den berühmten Spruch von der Lerche und der Nachtigall zugerufen haben soll. Der Regisseur Oliver Frljić baut denn in seiner Inszenierung am Schauspiel Stuttgart auf die Popularität der Geschichte und verzichtet daher, sie noch einmal von Anfang an auf der Bühne zu erzählen.

David Müller (Tybalt), Nina Siewert (Julia), Valentin Richter (Benvolio), Benjamin Pauquet (Graf Paris), Thomas Meinhardt (Pater Lorenzo), Jannik Mühlenweg (Romeo), Christoph Jöde (Mercutio), Franz Laske (Montague), Klaus Rodewald (Capulet). Foto: Thomas Aurin

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Mensch, was bist du? Birgit Jürgenssen – weit mehr als eine Feministin

Cindy Sherman schlüpfte für ihre Fotos in immer neue Kostüme und Figuren, Pipilotti Rist tanzte vor der Kamera mit nackten Brüsten, Rosemarie Trockel verwendete Materialien, die eng mit der traditionellen Rolle der Frau in der Gesellschaft assoziiert werden, und strickte Herdplatten. Wenn Künstlerinnen sich mit der Rolle der Frau im Allgemeinen und der der Künstlerin im Besonderen auseinandersetzen, geht es natürlich um Rollenbilder, aber auch um den eigenen Körper. Das gilt auch für die Österreicherin Birgit Jürgenssen, wenn sie sich etwa eine Schürze aus Blech in Form eines Küchenherdes umhängte. Und doch ist die Kunst der 2003 Verstorbenen vielschichtiger, wie eine erste umfassende Retrospektive in der Kunsthalle Tübingen zeigt.

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Zeitlos modern: Der Bildhauer Wilhelm Lehmbruck

Zeitlose Gültigkeit und tagespolitische Aktualität sind in der Kunst in der Regel selten vereinbar, meist sogar Gegensätze. Dem Bildhauer Wilhelm Lehmbruck allerdings gelang dieser Spagat, und das, obwohl sein Formenrepertoire eindeutig an klassisch-antiken Vorbildern geschult ist und ausschließlich an der menschlichen Figur durchdekliniert wurde. Die Staatsgalerie Stuttgart, die nach dem Erwerb dreier Lehmbruck-Plastiken und zahlreicher Graphiken über den zweitgrößten musealen Bestand an seinen Werken verfügt, zeigt in einer Ausstellung auf, wie diese Synthese gelang, und führt zugleich in einer mustergültig klaren Präsentation in seine Arbeitsweise und sein künstlerisches Denken ein, die Lehmbrucks Modernität unterstreicht.

Der Gestürzte, 1915

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Ein Holzschneider par excellence: Wilhelm Laage im Kunstmuseum Reutlingen

Verschrieb sich im 19. Jahrhundert ein Künstler der Druckgraphik, gar dem Holzschnitt, verstand er sich wohl eher als zweitrangig, denn dieses Medium galt in erster Linie als Reproduktionsmittel, allenfalls als Illustrationstechnik. Das änderte sich, als mit der Öffnung Japans, das sich jahrhundertelang von der Welt abgeschottet hatte, die feinlinigen ostasiatischen Farbholzschnitte bekannt wurden und als die Künstler zunehmend auf intensiven Ausdruck von Emotionen setzten wie etwa Edvard Munch. Dass sich ein Künstler des Jahrgangs 1868 nahezu vollständig auf den Holzschnitt konzentrierte wie Wilhelm Laage, war freilich dennoch eine Ausnahme, aber für die Nachwelt ein Glück, wie eine Ausstellung im Reutlinger Spendhaus belegt.

Steg am Meer, 1901

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Oper im Ausnahmezustand: Die Oper Stuttgart mit „Herzog Blaubarts Burg“ im Paketpostamt

Die Suche nach einer Interimsspielstätte für die dringend sanierungsbedürftige Oper Stuttgart gleicht inzwischen einem Schwabenstreich. Als Viktor Schoner zum neuen Intendanten gewählt wurde, ging man davon aus, dass er, der als Künstlerischer Betriebsdirektor an der Bayerischen Staatsoper auch große Erfahrungen im organisatorischen Bereich hat, die Oper in Stuttgart ins Übergangsdomizil führen, dort erfolgreich leiten und vielleicht sogar wieder ins Stammhaus zurückführen werde. Damals war unter anderem an den Umbau des ehemaligen Paketpostamts in Stuttgart gedacht, und so plante Schoner für seine erste Spielzeit gewissermaßen symbolisch den Umzug mit einer „Probeproduktion“. Inzwischen ist das Postamt vom Tisch und Schoner wird während seiner Vertragszeit wohl auch kaum die Oper in irgendeine andere Interimsstätte führen können, die Politik dürfte in der Planung derzeit auf dem Stand von vor einigen Jahre sein. Die „Probeinszenierung“ aber fand statt.

Herzog Blaubart: Falk Struckmann, Judith: Claudia Mahnke. Foto: Matthias Baus

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