Archiv für den Monat: März 2016

Das Rätsel als Normalität – Giorgio de Chirico in der Staatsgalerie Stuttgart

Wenn auf einem Bild ein Blick durch ein Fenster unversehens zu einem Gemälde auf einer Staffelei mutiert, denkt man an René Magritte, ziehen sich Ziffernblätter in die Länge, ist der Name Salvador Dalí bei der Hand, wenn Naturphänomene wie Blätter mit Szenen aus Trivialromanen kombiniert sind, deutet alles auf die Collagetechnik eines Max Ernst – alles Künstler, in deren Werken der Alltag ins Fantastische umkippt. Die Staatsgalerie Stuttgart zeigt nun in einer großen Ausstellung, dass diese Künstler möglicherweise einen ganz anderen Weg gegangen wären, wenn ihnen nicht ein Italiener maßgebliche Impulse gegeben hätte: Giorgio de Chirico.

 

Weiterlesen

Apokalypsen mit dem Kohlestift. Robert Schneiders Reflexionen zu Verdun in Schloss Bonndorf

Fast fünfzig Jahre hatte Gerhard Richter in seiner Fotomaterialsammlung für künftige Gemälde Fotos aus dem KZ Birkenau aufbewahrt. Immer wieder hatte er diese Fotos künstlerisch verarbeiten wollen, doch ein Konzentrationslager, so befand Richter schließlich, könne man nicht abmalen. Das Resultat waren am Ende vier abstrakte Farbimpressionen. Der in Hamburg lebende Maler und Zeichner Robert Schneider hat sich über Jahrzehnte hinweg den großen Weltkatastrophen des 20. Jahrhunderts gewidmet – so etwa Auschwitz und Verdun, und kam zu einem ganz anderen Ergebnis.

Verdun Nr. 1 KohleKarton 102,5x150cm (900x613)

                            Verdun Nr. 1, Kohle/Karton, 102,5x150cm   © VG Bild-Kunst Bonn 2016                         

Weiterlesen

Alte Druckgraphik im Computerzeitalter: Wolfgang Neumanns digitale Radierungen

Angefangen hatte alles mit Waffen- und Goldschmieden. Sie rieben Ruß in die Muster, die sie in das Metall geritzt hatten, und druckten die Platten auf Papier – als Werbung für ihre handwerkliche Fertigkeit; die Radierung war erfunden. Mit Dürer und Rembrandt erlebte das Verfahren eine frühe künstlerische Blüte – und wird bis in unsere Gegenwart von Künstlern hoch geschätzt, auch von dem 1977 geborenen Wolfgang Neumann. Er freilich führt sie auf seine Weise in die Kunst der Gegenwart weiter – wie eine Ausstellung im Hospitalhof in Stuttgart zeigt.

crloud_web (700x495)

Crloud, 2016 © VG Bild-Kunst Bonn 2016

Weiterlesen

Wieviele Frauen braucht der Mann? Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ an der Oper Stuttgart

Braucht Hoffmann wirklich drei Frauen, von denen er in Jacques Offenbachs Oper erzählt? Oder sind es in Wirklichkeit nur drei Facetten des Weiblichen, das er in nuce in einer einzigen Frau verkörpert glaubt, der Opernsängerin Stella, die angeblich, während er mit seinen Saufkumpanen in Lutters Weinkeller den Alkoholspiegel in seinem Blut langsam aber stetig ansteigen lässt, im Opernhaus nebenan Mozarts Donna Anna singt – angeblich, denn in Offenbachs Oper bzw. in Hoffmanns Universum weiß man nie, woran man eigentlich ist. Zumal, dies einer der grandiosen, subtilen Einfälle Offenbachs, diese Sängerin in seiner Oper als einzige Figur nicht singt – sie ist eine Sprechrolle.

Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln 19. März 2016 Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling, Gregor Bühl Regie: Christoph Marthaler Regie-Mitarbeit: Joachim Rathke Bühne und Kostüme: Anna Viebrock Licht: Olaf Winter Choreografie: Altea Garrido Chor: Christoph Heil Dramaturgie: Malte Ubenauf Auf dem Bild: Marc Laho (Hoffmann), Staatsopernchor Stuttgart, Graham F. Valentine (Spalanzani) Foto: A.T. Schaefer

Marc Laho (Hoffmann), Staatsopernchor Stuttgart, Graham F. Valentine (Spalanzani) Foto: A.T. Schaefer

Weiterlesen

Kunst zwischen Wissen und Ahnen – Florian Haller und Sebastian Marokko Walter

Wo das Wissen an seine Grenze kommt, wo die Wissenschaft so theoretisch oder gar hypothetisch wird, dass sie dem „Normalsterblichen“ keinerlei Anschauung mehr vermittelt, da könnte die Stunde der Kunst schlagen, denn sie vermag Phänomene aufleuchten zu lassen, die sich dem rationalen Zugriff entziehen. Eine Ausstellung in der Städtischen Galerie in Schwenningen stellt diese Hypothese nun in Frage. Sie versucht aufzuzeigen, was Kunst und Wissenschaft gemeinsam haben könnten.

Haller+Walter_Eröffnung

Haller+Walter_Eröffnung

Weiterlesen

Vorher – Nachher? Kunst als Zwischenwelt im Museum Art Plus Donaueschingen

Vor dem Museum Art Plus stehen dicht an dicht zwei Telefonzellen. Zwischen ihnen wölbt sich eine Art Kissen – aus Metall. „Rohrschachtelefon“ nennt Sebastian Kuhn seine Arbeit und bietet eine Einstimmung auf das, was im Museumsgebäude folgt: Eine Auseinandersetzung mit dem „“Between“, so der Ausstellungstitel, dem „Dazwischen“ – in diesem Fall der Frage: Was geschieht zwischen den Zellen, was geschieht mit denen, die versuchen in den Zellen zu kommunizieren, denn statt der Telefonapparate finden sich lediglich Neonröhren und Spiegel: Wer hier telefonieren will, ist ganz auf sich geworfen.

Weiterlesen

Malen als Schöpfungsakt. Fred Thieler

Es gibt Künstler, die man auf den ersten Blick einer Stilrichtung zuordnen kann. Dazu zählt gewiss Fred Thieler. Mit seinen Farbimpressionen und -landschaften, die wie zufällig auf Leinwand und Papier entstanden zu sein scheinen, ist er ein Musterbeispiel für die Richtung, die als „Informel“ in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts die Kunstentwicklung prägte und für deren Charakterisierung sich Begriffe wie “Formlosigkeit“ und „uneingeschränkte Spontaneität“ eingebürgert haben. Beide treffen auch auf die Gemälde von Fred Thieler zu – und doch, wie eine Ausstellung in der Galerie Schlichtenmaier deutlich macht, beileibe nicht nur.

 

Weiterlesen

Fragil – Stabil: Angela M. Flaig und Armin Göhringer in der Zehntscheuer Rottenburg

Geometrische Körper aus Samen – ätherische weißliche Luftgebilde, die beim leisesten Lufthauch zu zerfallen drohen auf der einen Seite. Baumstämme mit der Kettensäge bearbeitet, zerlegt in lauter Einzelteile, schwarz bemalt, dass man die Maserung des Holzes kaum mehr erkennen kann auf der anderen Seite. In der Zehntscheuer Rottenburg begegnen sich mit Arbeiten von Angela M. Flaig und Armin Göhringer Gegensätze, wie sie krasser kaum sein könnten, und dennoch entstand eine Ausstellung von faszinierender Geschlossenheit.

4 Schalen (1300x875)

Angela Flaig, Schalen

Weiterlesen

Textile Vielfalt im deutschen Südwesten – am Beispiel Esslingen

Deutschland ist reich an so genannten Industriedenkmälern. Sie zeugen von einer wirtschaftlichen Blüte, die einst ganze Regionen prägte wie die Kohleindustrie im Ruhrgebiet und die inzwischen Opfer der wirtschaftlichen Entwicklung geworden ist. Heute dokumentieren ehemalige Industrieanlagen diese Vergangenheit wie etwa die Völklinger Hütte im Saarland. Auch Esslingen am Neckar kann auf eine ruhmreiche industrielle Vergangenheit zurückblicken, die „Esslinger Wolle“ war europaweit ein Begriff, doch kein einziges Bauwerk zeugt heute noch von dieser Epoche. Eine Ausstellung im Esslinger Stadtmuseum schafft Abhilfe.

DSC04884 (900x507)

Weiterlesen

Ein Leben zwischen Kirchen, Stein und Masken – der Bildhauer Willi Bucher

Vielen gilt er als der „Maskenbucher“ – der Bildhauer Willi Bucher in Fridingen Seit Jahrzehnten schnitzt er traditionelle Masken für die Fastnacht seiner alemannischen Heimat – doch das ist nur eine Nebenbeschäftigung: Denn Willi Bucher ist nicht Handwerker, sondern vielseitig ausgebildeter Bildhauer, und die Masken, die er schnitzt und mit vielerlei ungewöhnlichen Materialien versieht, sind Kunstwerke, in vielen Ausstellung bereits gezeigt.

DSC04653 (1) (1100x619)

Weiterlesen