Mittel vom Hier zum Dort – Brücken in der pro arte-Stiftung Biberach

Ohne sie wäre der Weg von einem Berg zum anderen sehr weit – und würde entsprechend lange dauern. Mit einer Brücke kann man Distanzen überwindend verkürzen. Und infolgedessen Zeit sparen. Kein Wunder, dass Brücken im Sprachgebrauch weitgehend positiv besetzt sind. Man baut Brücken – um den Abstand zu anderen Menschen zu überwinden, man bricht Brücken ab, um lang vertraute Verbindungen zu beenden, die mit Brücken weiter Bestand hätten. So haben Brücken auch in der Kunst eine große und vielsagende Funktion, wie jetzt eine Ausstellung in der Stiftung pro arte in Biberach zeigt, die im Titel denn auch das Verbindende dieses Bauwerks betont: „Überbrückt“.

Hans Gassebner, Brücke (bei Gerhausen), 1929. Foto: U. Schäfer-Zerbst

Genau genommen ist es ein dokumentarisches Bild, das Hans Gassebner 1929 malte. Er gibt im Bildtitel sogar an, um welches Bauwerk es sich darauf handelt: eine Brücke bei Gerhausen, und wer sich in der Gegend um Blaubeuren bei Ulm auskennt, dürfte sie gut kennen. Gassebner hat das eindeutig von Menschenhand geschaffene Konstrukt als das in die Landschaft platziert, was es ist: als Fremdkörper. Doch durch die Art, wie er mit kurzen Pinselstrichen sowohl Landschaft wie Brücke gestaltet, fügt er beides zu einer Einheit, als gehörten sie untrennbar zusammen.

Damit hat Gassebner deutlich gemacht, dass Brücken stets etwas Unnatürliches zueigen ist. So ist es kein Wunder, dass zahlreiche Künstler in dieser Ausstellung das konstruktive Wesen der Brücke herausarbeiten. Axel Otterbach zum Beispiel hat sich bei einigen Arbeiten darauf konzentriert, das Bogenmotiv als wesentliches Merkmal herauszudestillieren. So reichen bei ihm drei leicht versetzt hintereinander gelagerte Bronzebögen aus, um den Eindruck einer Brücke zu evozieren. Ähnlich reduziert hat Willi Weiner abstrakte Formen aus Stahl so gelagert, dass sie wie zwei spiegelbildlich übereinander gestapelte Brücken wirken.                             Axel F. Otterbach, Brückenschichtstein, 2021. Foto: U. Schäfer-Zerbst

Axel Otterbach hat bei einer weiteren Arbeit ein anderes Wesensmerkmal einer Brücke auf den Aussagekern gebracht: „come together“ heißt eine Arbeit, in der durch einen kurzen gebogenen Eisenvierkantstahl jeweils drei Granitplatten zusammengehalten werden. Die Brücke wird hier nicht von Brückenpfeilern getragen, sie hält ihrerseits die Pfeiler zusammen. Beide Teile der Brücke gehören zusammen. Diese Brücke genügt sich selbst, sie braucht niemanden, der sie als Weg nutzen will.

Annette Zappe, Figure descending a staircase, 2019. Foto: U. Schäfer-Zerbst

Und der Weg über eine Brücke, so sehr sie beispielsweise durch die Überbrückung einander entfernter Berghänge den Fußweg des Wanderers erleichtern mag, ist alles andere als selbstverständlich, nicht einmal ungefährlich, zumal wenn sie ohne Geländer auskommt. Annette Zappe lässt in einer kleinen Bronzeplastik eine Figur vorsichtig Schritt für Schritt eine schräge Treppe im – wie es scheint – luftleeren Raum hinabsteigen: der Gang über eine Brücke als Wagnis.

Schließlich weiß man ja nicht unbedingt, wohin einen das andere Ende der Brücke führen wird. Auf einem Bild von Sven Kroner führt eine Brücke zwar über eine aus zusammengewürfelten Einzelteilen bestehende chaotische Welt, doch sicher muss ein solcher Weg nicht unbedingt sein, wie ein Gemälde von Paul Kleinschmidt nahezulegen scheint. Und auf Bildern des häufig auch als Bühnenbildner wirkenden Hans Dieter Schaal fühlt man sich geradezu in eine kafkaeske Welt versetzt, in der alle Elemente etwas Bedrohliches annehmen und der Mensch nur noch als Zitat aus einem Gemälde von Caspar David Friedrich auftaucht, auf dem er als Wanderer ohne festes Ziel erscheint.

Die Brücke, die auf den ersten Blick so zuverlässig ein Hinüber ermöglicht, erweist sich immer häufiger als gefährliches Element, das zwar das Hinübergehen ermöglicht, aber nicht unbedingt zum ersehnten Ziel führen muss. Dabei wirkt sie doch so schlicht und einfach; es braucht nicht viel. Ein Baumstamm über einen Bach ist ebenso eine Brücke wie eine aus Stahl und Beton kunstvoll von Menschenhand errichtetes Bauwerk der Moderne. Und es reichen einige neben- oder übereinander geschichtete Bögen aus, um den Eindruck einer formvollendeten Brücke hervorzurufen, wie Anna Arnskötter zeigt. Wie heikel ein Gang über eine Brücke offenbar stets auch ist, demonstriert Martina Benz: Sie hat ganz gewöhnliche Pflastersteine aus Granit auf eine Stahlstange „aufgefädelt“. So bilden die Steine eine Art Brücke – gewiss. Aber darauf zu gehen traut man sich beim besten Willen nicht. Eine Brücke mag ein Tal überbrücken, der Weg über sie ist aber alles andere als sicher.

Überbrückt. Das Motiv der Brücke in Kunst und Architektur.“ Galerie pro arte, Biberach, bis 21.11.2025, Katalog 119 Seiten

Bildrechte bei den Künstlern

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