Ein Privathaus als Denkmal: Das Theodor Heuss Haus in Stuttgart

Es wäre nicht verwunderlich, wenn derzeit so mancher Freie Liberale in Erinnerung an eine Zeit, da die FDP in der politischen Landschaft der Bundesrepublik nicht selten Zünglein an der Waage war, eine Pilgerreise nach Stuttgart unternähme, in den Feuerbacher Weg 46. Dort steht der Alterswohnsitz, den Heuss 1959 bezog, nachdem er aus dem Amt des 1. deutschen Bundespräsidenten ausgeschieden war. Lange Zeit war ihm dort nicht beschieden, er starb in seinem Schlafzimmer vier Jahre danach. Es wurde nach seinem Tod Sitz des Theodor-Heuss-Archivs, war danach privat vermietet, bis es durch die Stiftung mit dem etwas umständlichen Namen Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus erworben und in ein Museum umgewandelt wurde. 2002 wurde es offiziell eröffnet.

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                                                © Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus. Foto: Bernd Eidenmüller: Theodor-Heuss-Haus, Stuttgart.

Vor dem Haus im Feuerbacher Weg 46 in Stuttgart weht eine blaue Fahne, darauf der Kopf des ersten deutschen Bundespräsidenten und die Begriffe: Publizist, Politiker, Präsident, in dieser Reihenfolge. Es ist ein flacher Bungalow, hinter dem sich ein schöner Garten erstreckt, und der sich in bester Stuttgarter Höhenlage befindet. Im Haus selbst fällt der Blick dann sofort auf die gute Stube, das Haus befindet sich in dem Zustand, in dem Heuss es eingerichtet hatte. So gibt es noch sämtliche Originalmöbel, vor allem aber auch die Kunstsammlung von Theodor Heuss – beispielsweise Gemälde von Max Liebermann oder Ernst Ludwig Kirchner.

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Arbeitszimmer. © Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus. Foto: Bernd Eidenmüller: Theodor-Heuss-Haus, Stuttgart

Das Haus ist so ein Spiegel des Selbstverständnisses eines Bildungsbürgers, der Heuss ja war, das sich in den späten 50er Jahren auch im Wohnstil niedergeschlagen hat: viele Bücher, sehr viele Bilder, gediegene Möbel, durchaus modern, aber nicht modisch oder gar avantgardistisch.

Die eigentliche Bibliothek mit rund 20 000 Bänden befand sich im Keller – gleich neben dem Weinkeller. Diese Räume sind heute umgestaltet zu einem Ausstellungsparcours, der den Besucher durch Heuss‘ Lebensstationen führt, dabei ist der Parcours offen gehalten, jeder Besucher kann einsteigen, wo er will. Damit will die Ausstellung plastisch Heuss‘ Lebenskonzept erfahrbar machen. Er hatte in seinen Möglichkeiten – Journalist, Publizist, Politiker und Hochschuldozent – immer wieder gewechselt, bis er schließlich Bundespräsident wurde.

Dabei kann man immer wieder Heuss selbst begegnen, etwa wie er einem erheiterten Publikum erklärte, dass man vor 1914 in Europa schon viel freier war als unmittelbar nach 1945. Er erzählt in seiner tiefen sonoren Stimme, wie leicht es war, mit einer Visitenkarte als Ausweis Geld zu wechseln oder nachgesandtes Geld abzuholen. Das, so meinte er in diesem Tondokument, sei ein Märchen von dem Europa, das nun, in den 50er Jahren, in Paris gerade wieder verhandelt werde.

Wir erfahren, dass Heuss sich in der Weimarer Republik für das Gesetz zum Schutz der Jugend vor Schmutz und Schund eingesetzt hatte, was ihm heftige Kritik von Schriftstellern eintrug. Es wird auch nicht verschwiegen, dass Heuss für das Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte, das Hitler an die Macht brachte, was ihn jedoch nicht davor bewahrte, als Schriftsteller zu den Ausgegrenzten zu gehören. Ein Schandpfahl, wie er unter den Nazis in den Universitäten stand, weist auch zwei Bücher von Heuss auf. Und wir sehen, dies ein besonderer Schatz der Ausstellung, das Redentagebuch, das er von seinem 17. Lebensjahr bis zu seinem Tod führte, und in dem er mit einer buchhalterischen Akribie, die ihm ansonsten eher fern lag, jede Rede notierte.

So entsteht ein sehr persönliches Porträt dieses ungewöhnlichen Politikers, der eines nicht mochte, wie er dem damaligen Innenminister Schröder schrieb: Die Anrede Papa Heuss. Es sei, so kann man in diesem Brief lesen, vielleicht eine „Geschmacksfrage, da ich das Papa, Opa, Omi usw., was jetzt durch das deutsche Bürgertum spaziert, aus sprachlich geschmacklichen Gründen nie ertragen habe.“

Theodor Heuss Haus. 70192 Stuttgart, Feuerbacher Weg 46. Dienstag – Sonntag 10 – 18 Uhr.

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