Geheimnisvoll zur Vollendung: 300 Jahre Freimaurer

Das Misstrauen ist groß: Sie sollen an einer Weltverschwörung arbeiten, sie schotten sich rigoros gegen jegliche Öffentlichkeit ab, ihre Rituale sind geheimnisumwittert – die Freimaurer sind der wohl größte Geheimbund der Welt. Dabei sind ihre Ziele ehrenwert, geradezu hehr: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, wie sie die Französische Revolution propagiert hatte, werden noch ergänzt durch Toleranz und Humanität, Ziel der Vereinigungen ist die ethische Verbesserung des Einzelnen. Vor 300 Jahren wurde die erste Freimaurerloge gegründet, in England, die Geschichte der Freimaurer in Württemberg ist rund 250 Jahre alt. Eine Ausstellung im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart versucht, Legende und Realität voneinander zu trennen, und betont im Titel die ideelle Seite der Freimaurer: Gelebte Utopie.

Arbeitsteppich für Lehrlinge und Gesellen, um 1775

Einen besseren Blickfang hätte man für diese Ausstellung nicht wählen können; es ist ein großes Stück Leinwand, ein Arbeitsteppich für Freimaurergesellen, und im Grunde kreist die ganze Ausstellung um dieses Exponat. Von ihm aus lässt sich das Wesen der Freimaurer ergründen. Da ist auf der vordergründigsten Ebene der Bezug zum Maurerhandwerk. In Lehrlinge, Gesellen und Meister teilt die Hierarchie die Mitglieder einer Loge ein, typische Elemente des Maurerhandwerks bilden die Symbole, um die das Denken des Geheimbundes kreist: die Kelle, das Senkblei, der Zirkel. Was im Handwerksalltag der Konstruktion eines Gebäudes dient – das Senkblei zur exakten vertikalen Ausrichtung einer Mauer, die Kelle dem Auftrag des Mörtels, der Zirkel der genauen Plankonstruktion – hat für die Freimaurer symbolische Bedeutung: Das Senkblei steht für die aufrechte Haltung, also für eine moralische Einstellung, die Kelle für Ausgleich, der Zirkel für Ordnung und Menschlichkeit.

Silberne Taschenuhr, um 1900

Alles in den Ritualen der Freimaurer hat höhere Bedeutung und prägt zugleich konkret den Alltag der Mitglieder, wie eine Taschenuhr beweist, die statt der Zeitziffern Symbole der Freimaurer enthält.

Ebenfalls auf einer weitgehend vordergründigen Ebene ist der Tempel Salomos angesiedelt, auf den die Freimaurer sich mit einer fiktiven Genealogie beziehen, die zurück bis Adam reicht. Im weiteren Sinn aber steht der Tempel für die Tradition der mittelalterlichen Dombauhütten, die das Muster sowohl terminologisch als auch ideell für die Freimaurer abgaben. So findet sich in der Ausstellung der Grundriss der Westfassade des Straßburger Münsters aus dem 13. Jahrhundert, schließlich ist eine Schlüsselgestalt der mittelalterlichen Bauhütten Erwin von Steinbach, der Baumeister des Straßburger Münsters, dem der junge Goethe in einer Schrift über deutsche Baukunst eine Eloge gewidmet hat – Goethe, der bereits mit 15 Jahren Freimaurer werden wollte und es dann mit 31 Jahren schaffte.

Schließlich finden sich auf dem Teppich noch zwei Steine – ein unbehauener, rauer und ein behauener kubischer. Wer diesen perfekt gestalteten Stein zuwege bringt, hat den Gesellenstatus erlangt. Auch dieser Stein hat symbolische Bedeutung: Er steht für die erfolgreiche Arbeit am Ich, denn Selbstverbesserung, gar Vervollkommnung ist das Ziel der Freimaurer. Daher sind die Ideale denn auch von großer Bedeutung. Sie drücken sich abermals in rituellen symbolischen Verhaltensweisen aus, die Brüderlichkeit etwa unter anderem dadurch, dass man sich beim Gesang die Hand reicht.

Schema eines Maurerpasses in geheimer Quadratschrift, 1773

Trotz aller ehrenwerten Ziele sind die Freimaurer nicht ganz unschuldig an dem Ruf des Geheimnisvollen, Rätselhaften, vielleicht auch Dubiosen. Wer in seinen Ritualen Symbole wie den Totenkopf verwendet, setzt sich dem Ruch des Zweifelhaften aus, erst recht, wer seine Mitteilungen in Geheimschrift formuliert.

So stießen die Freimaurer denn auch sehr früh auf Ablehnung und Verfolgung. Verbote ziehen sich durch ihre Geschichte, sei es durch den württembergischen Herzog, sei es durch die Nazis, und auch die Kirchen distanzierten sich von je her von dem Geheimbund, bis heute. Ein Hirtenbrief des Rottenburger Bischofs Carl Joseph Hefele von 1885 warnt vor dem „Gift dieser geheimen Verbindungen“.

So vermag die Ausstellung Aufklärung in das Rätselhafte zu bringen, doch zwangsläufig nur bis zu einem gewissen Punkt. Die rätselhaften und geheimnisumwitterten Rituale können ebenso wenig Teil einer öffentlichen Ausstellung werden wie die geistigen Überzeugungen, die dahinter stehen. Immerhin: Ein Zeugnis, das jedem zugänglich ist, allerdings vielfältige Deutungsmöglichkeiten offenlässt, gibt es für die Welt der Freimaurer: Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart, der am 14. Dezember 1784 in die Loge Zur Wohltätigkeit aufgenommen wurde, schon drei Wochen danach zum Gesellen befördert und sechs Tage danach zum Meister ernannt wurde. Er schuf mit Sarastro die vielleicht faszinierendste, zugleich rätselhafte Symbolfigur des großen Freimaurermeisters. Die Oper wurde fünf Jahre nach ihrer Uraufführung auch im hohenlohischen Bartenstein aufgeführt; Prinz Karl Joseph sang den Sarastro, dessen große Arie von den „heiligen Hallen“ dabei durch eine dritte Strophe mit freimaurerischen Idealen ergänzt wurde. Dass zu den zahlreichen honorigen Namen, die sich in der Freimaurerliste in Württemberg finden – die von Reinhold Maier, dem ersten baden-württembergischen Ministerpräsidenten, über den Volksdichter August Lämmle und Nationalökonom Friedrich List reicht – auch der von Reinhold Fritz zählt, ist ein kleines Aperçu am Rande: Er war Bassist und sang unter anderem – den Sarastro.

Gelebte Utopie. Auf den Spuren der Freimaurer in Württemberg“, Hauptstaatsarchiv Stuttgart bis 12.10.2017. Katalog 158 Seiten, 16 Euro

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