Mit Bäumen und ohne – Landschaftsbilder der Schwäbischen Alb gestern und heute

Seit 1980 war die Dauerausstellung über das Landschaftsbild der Schwäbischen Alb ein Markenzeichen des Kunstmuseums Albstadt, damals noch „Galerie Albstadt“. Allerdings war sie auch in der Präsentation allmählich in die Jahre gekommen und unter der Leiterin Veronika Mertens durch einzelne Schwerpunktausstellungen zum Thema abgelöst worden. Jetzt, zu ihrem Abschied vom Museum, hat sie eine ganz besondere Auswahl von Arbeiten seit 1893 zusammengestellt, bei denen natürlich auch die alten Klassiker nicht fehlen: Albspaziergang.

Christian Landenberger, Donautal bei Gutenstein, 1893

Das Donautal bei Gutenstein. Als Christian Landenberger 1893 dieses Bild malte, war ihm der konkrete Blick auf diese spezielle Landschaft wichtig, daher die genau Ortsangabe, und man erkennt auch das Flusstal, Berge dahinter, davor eine Wiese. Aber alles löst sich bereits in Farbwolken auf, und die weißen Tupfer kann man als Blüten deuten, sind aber eigentlich abstrakte Flecken, der Weg in die Abstraktion ist erkennbar. Als seine Kollegen sich hundert Jahre danach derselben Landschaft widmeten, ist die reine Ungegenständlichkeit längst selbstverständlich. Auch wenn Werner Schmal Bilder Schwäbische Alb nennt oder in einem anderen Fall noch genauer bei Buttenhausen, sind es rein abstrakte Farbkompositionen, bei denen das Grün an Wald denken lässt, graue Einsprengsel an Felsen, doch solche konkreten Assoziationen müssen nicht sein. Bei Gabriele Straubs Albspaziergang könnte man an gelbe Weizenfelder denken, das Bild könnte aber auch „Fantasie in Gelb“ heißen. Der Blick in die Landschaft hat sich ganz in Farbe aufgelöst, „Farbräume“ ist dieser Raum der Ausstellung denn auch überschrieben.

Ganz andere Alblandschaften hat Christoph Seidel geschaffen. Er ließ sich von kleinen Details in Bildern von Landenberger inspirieren und machte daraus ganz eigene Kompositionen. Das sind auch Bilder von der Alb, aber gewissermaßen aus zweiter Hand. Solche Inspirationen finden sich häufiger. Caroline von Grone war fasziniert von Baumstämmen auf einem Winterbild von Maria Caspar-Filser und übernahm sie in ein eigenes Bild, setzte davor aber eine Flüchtlingsfamilie, die auf der Alb eine neue Heimat gefunden hat. Da wird aus der reinen Landschaft ein „Lebensraum“, so der Titel des zweiten Ausstellungsraums. Ähnliches findet sich bei Fritz Steißlinger, der Bauern bei der Ernte porträtiert hat, oder Wilhelm Geyer, der den Einbruch der Industrialisierung dargestellt hat mit Arbeitern und Maschinen. Und Käthe Rominger-Schneider hat mit senkrechten weißlichbraunen dicken Streifen im Bild festgehalten, wie sich dem Autofahrer beim Blick aus dem Fenster die vorbeirauschenden Baumstämme darbieten – das ist abstrakte Malerei und zugleich Blick auf die Natur.

Lebensraum ist die Alb natürlich auch, wenn man sich hier einige Zeit einquartiert. Katharina Krenkel hat an fünf Tagen hintereinander Türme in Albstadt bestiegen und daraus Tableaus angefertigt mit kleinen Zeichnungen, die sie in einer Art Panoramarundblick angeordnet hat, ergänzt auch mal durch ein gestricktes Kirchenmodell. Dazu hat sie auf Zetteln akribisch die Zahl der absolvierten Stufen angegeben und alles auf zwei alten Türen arrangiert, die bei der Renovierung des Kunstmuseums übriggeblieben sind.

Sind das die ansehnlichen Seiten der Alb, so hat Ava Smitmans, als sie sich in allen Stadtteilen von Albstadt für einige Tage eingemietet hatte, sich den weniger ansehnlichen gewidmet, Hinterhöfen, Industrieanlagen. Auch das gehört zur Landschaft Schwäbische Alb, auch wenn man das gerne ausblendet; sie hat den Fokus darauf gerichtet.

Landschaft kann aber auch gewissermaßen ex negativo dargestellt werden. Katharina Hinsberg hat bei ihrem Aufenthalt auf der Schwäbischen Alb bei ihren Wanderungen Details gezeichnet – Äste, Käfer -, dann diese gezeichneten Motive mit dem Skalpell ausgeschnitten und die Blätter an die Wand geheftet. Das Landschaftserlebnis ist hier durch Nichtvorhandensein vorhanden. In einer anderen Arbeit hat sie solche ausgeschnittenen Motive an die Wand gepinnt und durch Scheinwerfer Schattenzeichnungen an die Wand gezaubert. Auch das ist ein „Landschaftsbild“.

Wie auch das von Jürgen Palmtag, obwohl jeder Hinweis auf ein visuelles Landschaftserlebnis fehlt. Er hat Satzfetzen auf eine große Bildfläche geschrieben und lässt so die Fantasie des lesenden Betrachters ausmalen, um was für Landschaftserlebnisse es sich handeln könnte, wenn er etwa „Maria im Fels“ liest oder dass dort, wo ein Schäfer ist, auch eine Schäferin sei.

So zeigt die Ausstellung nicht nur, wie vielfältig der Blick auf diese schwäbische Landschaft sein kann, sondern regt auch an, darüber nachzudenken, was eigentlich ein Bild von einer Landschaft ganz allgemein sein kann. Sie muss nicht immer erkennbar sein, sollte aber dennoch aufscheinen, in welcher Form auch immer.

Albspaziergang. Gegenwart und Landschaftsblick“, Kunstmuseum Albstadt bis 16.1.2022

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