Zwischen Mensch und Kosmos – der Künstler Hans-Werner Stahl

Geheimnisvolles Licht strahlt im Raum. Es scheint aus dem Nichts zu kommen oder aus fernen Welten und gibt dem Betrachter Rätsel auf. Allerdings muss der Raum dunkel sein, der Betrachter sich in einer schwarzen Höhle befinden; bei Tageslicht verschwindet das Phänomen, da steht man vor farbenfrohen Gemälden, wie man sie von einem Maler erwartet: gemalt mit Pinsel und Farbe. Hans-Werner Stahl mischt seiner Farbe Partikel bei, die bei normaler Beleuchtung unsichtbar sind, bei Schwarzlicht aber ihr farbiges Eigenleben entwickeln.

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Ein Haus der Stille und der Kunst: Die Gratianus-Stiftung Reutlingen

Mit vollem Namen hieß er Flavius Gratianus und war von 375 bis 383 Kaiser im Westen des römischen Reiches. Er zeichnete sich vor allem durch die Förderung der Künste aus – aber nicht das war der Grund, weshalb die Malerin Gabriele Straub und ihr Mann Hanns-Gerhard Rösch ihre Kunstsammlung unter seinem Namen in eine Stiftung umwandelten. Die Villa, in der sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, befindet sich eben in der Gratianus-Straße in Reutlingen. Die Stiftung entstand kurz nach der Jahrtausendwende – und wer sie besucht, taucht ein in eine Welt der Stille, der Meditation, der Ästhetik.

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Raimer Jochims. „Lascaux“. 1989

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Philosophie der archaischen Form: Der Bildhauer Jürgen Knubben

Idyllischer kann es kaum mehr sein: Mitten in einem Wäldchen vor den Toren von Rottweil hat sich Jürgen Knubben ein Refugium zugelegt. Vor Jahren hatte er dort ein ehemaliges Militärgelände erworben und als erstes eine riesige Werkhalle errichten lassen, danach ein modern designtes Wohnhaus – und einen Park gestaltet, in dem weitläufig seine Skulpturen verteilt sind, durchweg aus Stahl, durchweg rostig. Das verleiht dem Metall etwas Fragiles, geradezu Lebendiges und ist zugleich symbolisch zu interpretieren – wie alles, was dieser Künstler tut.

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Zwischen Schein und Wirklichkeit – Norbert Stockhus

Kleine Häuschen, die Welt im Miniaturformat – da fühlt man sich zurückversetzt in die Zeit des Biedermeier oder die der großen alten flämischen Meister. Aus dieser Welt könnte auch ein großes Gemälde stammen, das der Kreis Rottweil in Auftrag gegeben hatte. Hunderte von Häusern sind da liebevoll porträtiert, eine alte Stadt – die älteste von Baden-Württemberg: Rottweil. Doch das Bild ist nicht Jahrhunderte alt, sondern gerade einmal wenige Wochen. Vier Jahre hat Norbert Stockhus daran gemalt – und auf den zweiten Blick erkennt man unschwer, wie bei allen Bildern dieses Meisters im Umgang mit dem Pinsel, dass es sich um ein Bild unserer Tage handelt.

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Überdauert, Ausschnitt

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Individuum oder Massenwesen: Wolf Nkole Helzles Fotokunst

Ein „Selfie“ ist ein Abbild meiner selbst, von mir hergestellt mithilfe eines Aufnahmegerätes, meist eines Smartphones. Wird ein solches Abbild von einem anderen angefertigt, nennt man das „Porträt“. Beide sollten eine Voraussetzung erfüllen: Sie sollten jeweils perfekt das Gesicht eines Menschen wiedergeben mit all seinen Eigenheiten und persönlichen Ausdrucksmöglichkeiten. Seit Jahrzehnten stellt Wolf Nkole Helzle Porträts mit dem Fotoapparat her, Zehntausende hat er so fotografisch festgehalten, in aller Welt, und doch ist er alles andere als ein Porträtfotograf.

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Was ist der Stoff, aus dem Gemälde sind? Susanne Paesler im Schauwerk Sindelfingen

Lange Zeit waren Künstlerinnen auf das beschränkt, was man heute gern als angewandte Kunst definiert: Sie fertigten Stickereien an, entwarfen Wandteppiche, die zwar schon künstlerische Gestaltungsmerkmale aufwiesen, aber eben doch noch ganz dem verhaftet waren, was man als typisch weibliche Tätigkeit ansah: Handarbeit. Wenn in unseren Tagen eine Künstlerin wie Rosemarie Trockel ihre Arbeiten strickt oder Herdplatten illusionistisch exakt nachbildet und an die Wände hängt, dann weist sie demonstrativ – und mit einem Schuss sarkastischer Ironie – auf dieses Phänomen hin. Auch Susanne Paesler, die zehn Jahre nach Rosemarie Trockel geboren wurde, verwendete „weibliche“ Materialien wie Stoffmuster, zielte damit aber in eine ganz andere Richtung, wie jetzt eine Retrospektive dieser mit 43 Jahren 2006 verstorbenen Künstlerin im Schauwerk Sindelfingen zeigt.

 

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Zwischen spontaner Natürlichkeit und symbolischer Verdichtung: Ernst Ludwig Kirchner in der Stadthalle Balingen

Sie wollten sich befreien von den Zwängen der akademischen Malerei, wollten ganz der Spontaneität leben und sie künstlerisch verarbeiten – die Künstler, die sich 1905 unter dem Namen „Brücke“ zusammentaten und nicht selten gemeinsam arbeiteten – und sich vergnügten. Wenn man badete, dann möglichst nackt, Freiheit war Trumpf, Naturalismus war verpönt, es galt der innere Ausdruck. Einer der maßgeblichen Vertreter dieser Gruppe, vielleicht sogar der programmatischste, war Ernst Ludwig Kirchner. Eine Ausstellung in Balingen lenkt jetzt den Blick eher auf die Erotik seiner Kunst – auf den Akt, auf die Halbwelt der Prostituierten, auf den Tanz.

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                            Erich Heckel und Otto Mueller beim Schach, 1913, Brücke-Museum Berlin

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Der Wahn als einzige Realität – Bellinis Puritaner an der Oper Stuttgart

Sie waren lange Zeit verschrien als Opern des reinen Schöngesangs, Belcanto in Höchstform, die von ihrer Handlung auf den oberflächlichen Blick hin nicht selten ein wenig haarsträubend wirkenden Musikdramen eines Donizetti oder eines Bellini – bis sie von Maria Callas in ihrer psychologischen Dramatik neu entdeckt wurden und durch Joan Sutherland zugleich mit dem ihnen zugrunde liegenden Belcanto stimmlich geadelt wurden. Jossi Wieler und sein Ko-Regisseur Sergio Morabito haben das Wagnis unternommen, in Stuttgart die drei großen Bellini-Opern mit neuen Sehweisen auf die Bühne zu bringen: Vor vierzehn Jahren die Normadie Callas-Rolle schlechthin, vor vier Jahren die Nachtwandlerin, mit der ihnen die „Inszenierung des Jahres“ gelang, nun das vielleicht sprödeste der drei Werke: Die Puritaner“, angesiedelt im englischen Bürgerkrieg, in der sinnenfeindlichen Welt der Cromwell-Anhänger, der Bilderstürmer der englischen Geschichte.

 

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                       Diana Haller (Enrichetta). Mitglieder des Staatsopernchores. Foto: A. T. Schaefer

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„Angewandt“ oder „frei“? Willi Baumeisters Kunst auf Papier

Noch immer hat die so genannte „angewandte Kunst“, hat das Design bei vielen Kunstfreunden einen Hautgout: Was da in Form von Plakaten oder Produktformen entsteht, hat nicht den Adel der hohen Kunst, sondern dient einem bestimmten Zweck. Dass diese strikte Trennung zwischen hoher „freier“ und angewandter (also „unfreier“) Kunst in unserer Zeit nicht mehr gelten sollte, ist nicht zuletzt dem Bauhaus zu verdanken, das sich in den 20er und frühen 30er Jahren für die Verbindung von Kunst und Handwerk einsetzte. Aber auch Künstler, von denen man eine solche Annäherung nicht unbedingt erwartet, haben sich schon früh für eine Verbindung beider Sparten eingesetzt. Willi Baumeister, für viele ein Inbegriff der abstrakten modernen Kunst des 20. Jahrhunderts, zählte zu ihnen, wie jetzt eine Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart deutlich macht: „auf papier“ – heißt sie, und scheint auf den ersten Blick eine ganz andere Seite dieses Künstlers zu zeigen, als man gewohnt ist…

 

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Theater oder Film oder alles auf einmal und noch vieles mehr? Das Schauspiel Stuttgart im Autokino Kornwestheim

Dass unter der Intendanz von Armin Petras am Schauspiel Stuttgart nicht nur reguläre Theaterstücke auf den Spielplan kommen, sondern besonders oft Romane, ist inzwischen Stuttgarter Theateralltag; auch Filme wurden schon für die Stuttgarter Bühne bearbeitet, und nicht immer erwiesen sich diese Kunstformen als bühnentauglich. Warum also nicht gleich in einem Kino Theater spielen, zumal Kinos früher ja auch „Filmtheater“ hießen. Doch was René Pollesch jetzt im Autokino Kornwestheim kreierte, war mehr als eine Adaption auf fremdem Terrain, es war eine theater-filmische Tour de force à la bonheur.

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                             Christian Schneeweiß, Manuel Hard, Abak Safaei-Rad. Foto: Conny Mirbach

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