Phantasien in Stahl. Der Bildhauer Erich Hauser im Museum Art.Plus

Wenige Bildhauer sind derart häufig im öffentlichen Raum anzutreffen wie Erich Hauser. In Frankfurt vor der Deutschen Bundesbank ragt eine Stahlplastik mit schräg nach oben ragenden Spitzen. Vor der Meistersingerhalle in Nürnberg steht eine in sich ruhende runde Stahlsäule, und vor dem Sportinstitut in Tübingen hockt in sich gekauert ein Stahlgebilde geduckt auf dem Boden. Allen gemeinsam ist das Material: Edelstahl, gemeinsam ist auch die abstrakte Form, aber bereits diese drei Arbeiten zeigen, wie unterschiedlich die Formensprache dieses Künstlers war. In Rottweil kann man das auf dem Gelände seiner Werkstatt nachvollziehen, das er zusammen mit seinen Wohnhäusern und zahlreichen Plastiken in eine Stiftung überführt hat. Jetzt präsentiert das Museum Art.Plus in Donaueschingen einen Überblick über sämtliche Phasen seiner Entwicklung.

 

Ein Foto zeigt, wie Erich Hauser seine Plastiken herstellte, und es macht zugleich deutlich, wie wenig der Begriff Bildhauer auf ihn zutrifft. Hauser hält auf diesem Foto ein kleines Modell aus dicker Pappe in Händen. Es weist ähnlich zackige Spitzen auf wie die Plastik vor der Deutschen Bundesbank. Solche Gebilde entstanden nicht, indem Hauser einen Holzstamm bearbeitete oder von einem Steinblock äußere Teile abschlug. Hauser ging den umgekehrten Weg: Er setzt seine Plastiken aus Einzelteilen zusammen, er baute auf, er war letztlich ein „Konstrukteur“. Das war nicht immer so. Die Ausstellung zeigt eine äußerst selten ausgestellte figürliche Plastik, die verdeutlicht, dass sich Hauser, der eine Lehre als Stahlgraveur durchlaufen und sich die Bildhauerei autodidaktisch erarbeitet hatte, zunächst an der Tradition eines Wilhelm Lehmbruck orientierte, freilich nicht lange. Bald schon fand er seine Methode, Plastiken aus Teilen zusammenzuschweißen, und in den frühen Jahren kaschierte er diese Nahtstellen nicht, im Gegenteil: Durch vorsichtiges Anschleifen betonte er sie noch und wies so den Betrachter geradezu darauf hin, wie diese Arbeiten entstanden.

Diese frühen Arbeiten sind in sich ruhend wie die Plastik vor dem Tübinger Sportinstitut, vor allem folgen sie dem Prinzip der Harmonie, jedoch nur auf den ersten Blick. Ruhige Ordnung gibt es bei Hauser nicht, eher eine fast philosophische Unruhe. Nach zwei oder vier Seiten wölben sich Stahlflächen, zwischen ihnen dringt nicht selten ein Stahlblech vor. Solche Arbeiten sind zwar aus Edelstahl (bzw. in den ersten Jahren aus Nirosta-Stahl), wirken aber wie Gebilde, wie sie die Natur hervorbringt: Knospen.

 

Doch bald schon, Anfang der 60er Jahre – Hauser war gerade dreißig Jahre alt -, wurde seine Formensprache unruhig, geradezu nervös.

 

Wie Blitze schießen spitze Stahlkanten in die Luft, keine Spur mehr von Symmetrie, hier scheint alles explodieren zu wollen. Im öffentlichen Raum beginnen diese formalen Explosionen meist erst weit über den Köpfen der Passanten oder Autofahrer wie etwa in der Kernerstraße in Stuttgart, denn Hausers Plastiken sind meist überlebensgroß. Die Ausstellung im Museum Art.Plus zeigt kleinere Versionen solcher Gebilde, die aber alle, wie eine Vitrine mit zahlreichen Beispielen zeigt, ihren Ursprung in kleinen gebastelten Modellen aus dünnem Blech oder dicker Pappe haben.

Später beruhigen sich die Formen dann wieder, Hauser gestaltet runde Säulen, die aber raffiniert aus ineinander verschachtelten langen Metallteilen zusammengesetzt sind und nur auf den ersten Blick wieder zur Symmetrie der frühen Arbeiten zurückzukehren scheinen.

Subtil ist die Symmetrie aber allenthalben durchbrochen. So ist die Beschäftigung mit einer Plastik von Erich Hauser ein Abenteuer für das Auge.

Das gilt auch für seine Zeichnungen, die man zwar stets als Hauserzeichnungen erkennt, die aber alles andere als lediglich Skizzen für eine spätere Plastik sind. Mit wenigen Strichen deutet Hauser das Disparate seiner Stahlarbeiten an, zeigt, wie intensiv er sich mit extrem spitzen Winkeln auseinander gesetzt hat, Formen, die selbst auf dem Zeichenpapier voller Dynamik sind.

Auf seinem privaten Gelände in Rottweil hat Hauser bereits vor Jahrzehnten eine riesige Werkausstellung auf der grünen Wiese gestaltet und so gezeigt, wie krass sich die Vegetation eines naturnah gestalteten Parks und seine Plastiken unterscheiden, und wie sie doch ideal zusammenpassen. Das hat er auch in einem Modell demonstriert, das in Donaueschingen nach langer Zeit wieder ausgestellt wird: In einem drei Meter breiten Holzkasten hat Hauser ein Panoramafoto einer naturbelassenen Landschaft angebracht, über die er ein abstraktes Gebilde aus Edelstahlrohr gespannt hat – eine Synthese von Kunst und Natur von einem Mann, dessen Dimensionen stets ins Riesenhafte tendierten, denn selbst im kleinen Pappmodell ahnt man bereits, dass die fertige Arbeit die Größe eines Menschen weit übersteigt.

Erich Hauser. Regional – Überregional“. Museum Art.Plus. Museumsweg 1. Donaueschingen bis 3.4.2016

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