„Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, spielt weiter.“ Shakespeare und die Musik

Viel hat man Shakespeare angedichtet – kein Wunder, ist er doch die rätselhafteste Figur der Literaturgeschichte, so rätselhaft, dass man heute noch spekuliert, wer eigentlich hinter diesem Namen stecken könnte, denn allzu unglaubwürdig scheint die Tatsache, dass sich ein junger Mann aus der Provinz (aus Stratford) auf den Weg nach London macht, dort innerhalb weniger Jahre zum bedeutenden Theaterdichter avanciert – und möglicherweise zum Liebhaber hochadliger Damen –, dann diesem Theaterleben Adieu sagt und sich wieder nach Stratford zurückzieht. Seine Stücke verraten eine immense klassische Bildung, psychologisches Einfühlungsvermögen, dichterische Ausdruckskraft – und eine große Affinität zur Musik. Ein Kammerkonzert der Oper Stuttgart zeichnet nach, welche Auswirkungen Shakespeare auf die Musikgeschichte hatte.

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Titelseite der ersten Shakespeare-Gesamtausgabe von 1623

In seinen Dramen spielt Musik eine ungewöhnlich große Rolle. Nur sechs seiner 37 Theaterstücke enthalten keine Lieder, und selbst in diesen sechs Dramen spielt die Musik eine große Rolle. Es gab nichts, was Shakespeare nicht der Kraft der Musik zugeschrieben hätte. Vor allem ist Musik für ihn Ausdruck von Charakter. „Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst, Den nicht die Eintracht süßer Töne rührt, Taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken; Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht, Trau keinem solchen! – Horch auf die Musik!“ So heißt es im „Kaufmann von Venedig“.

Kein Wunder, dass Shakespeare seinerseits so viele Komponisten zu Musik inspiriert hat wie kein anderer Dramatiker. Allein die Lieder, die zahlreich in seinem Werk vorkommen (als reiner Text, denn wir wissen nicht, wie die Aufführung seiner Stücke ausgesehen hat), wurden über 300 Mal vertont. Am bekanntesten ist wohl Schuberts „An Sylvia“.

Dass ein Opernhaus den Auswirkungen dieses Dramatikers auf die Musik nachspürt, ist nur folgerichtig. Sein Schaffen war eine Fundgrube für Opernkomponisten: Schon knapp 60 Jahre nach Shakespeares Tod entstand die erste von Thomas Shadwell. Hatten das 17. und 18. Jahrhundert lange Zeit Probleme mit dem Dichter – nicht zuletzt mit dessen gelegentlich freizügigem Umgang mit der Sexualität, sodass seine Stücke nur in „gereinigter“ Form auf die Bühne kamen -, so feierte ihn spätestens das 19. als Genie unter den Dramatikern. Die Komponisten lieferten den Stoff zum Feiern: Von Berlioz, der „Viel Lärm um Nichts“ zu „Béatrice et Bénedict“ verwandelte, bis zu Verdi, der gleich drei Shakespeareopern schuf, darunter sein Loblied auf Falstaff, dem der Deutsche Otto Nicolai gleichfalls ein Denkmal gesetzt hatte. Dessen Trinklied diente im 20. Jahrhundert Jan Koetsier zu einer „Falstaffiade“, die das Kammerkonzert in der Oper Stuttgart der Vergessenheit entreißt. Auch Hans Werner Henze hat Figuren von Shakespeare musikalisch ausgestaltet – den Junker Bleichenwang etwa für Gitarre. Noch zahlreicher als Opern nach Shakespeare sind Bühnenmusiken, von Henry Purcell im 17. über Haydn im 18. bis Schostakowitsch (Filmmusiken zu „Hamlet“ und „König Lear“) im 20. Jahrhundert – und natürlich Felix Mendelssohn-Bartholdy im 19., der als 17jähriger von der Sommernachtstraumübersetzung von Schlegel derart beeindruckt war, dass er seine grandiose Ouvertüre schrieb, der er dann erst sechzehn Jahre danach weitere zehn Nummern hinzufügte. Das Konzert der Oper Stuttgart bringt eine Kammermusikbearbeitung dieser Schauspielmusik.

Und die Oper wird Shakespeare weiter verfolgen: Mit einer Inszenierung von Purcells „Fairy Queen“ und einem Sinfoniekonzert, in dem Mendelssohn-Bartholdy dann auch orchestral erklingen kann.

Schlag nach bei Shakespeare. Eine musikalische Hommage“. Ein Kammerkonzert mit Solisten des Staatsorchesters Stuttgart. Liederhalle Stuttgart, Mozartsaal 11.11.2016 19.30 Uhr

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