Archiv der Kategorie: Kunst

Tierisches – allzu Menschliches. Die Skulpturen von Thomas Putze

Erkenne dich selbst, soll über dem Apollotempel in Delphi gestanden haben. Doch damit tun die Menschen sich schwer, Selbstverblendung scheint ihnen eher gemäß, zumindest ist sie bequemer. Es bedarf meist eines Anstoßes von außen. Die Literatur kann ein Mittel hierfür sein, eine Figur wie Till Eulenspiegel trug zu diesem Behufe einen Spiegel bei sich, den er den Menschen vorhielt. Der Fabeldichter La Fontaine bediente sich der Tiere, um den Menschen ihre Mängel vor Augen zu führen, bildende Künstler erfanden Bestiarien – der Bildhauer Thomas Putze hat eines aus Holz mit der Kettensäge in die Welt gesetzt.

 

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Geschichten aus dem Bürgertum: Der Maler Johann Baptist Pflug

Drei Kunststile beherrschten den Beginn des 19. Jahrhunderts, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten – der Klassizismus, die Romantik und das Biedermeier. Ihre zu ihrer Zeit bedeutenden Vertreter aber sind heute weitgehend vergessen: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein ist nur noch durch sein Porträt von Goethe in der Campagna ein Begriff, Otto Philipp Runge möglicherweise durch einige Kinderporträts und Joseph Anton Koch durch die eine oder andere Gebirgslandschaft. Allzu schnell wurden diese Künstler durch die mit dem Impressionismus einsetzende Moderne mit einem ganz anderen Bildbegriff verdrängt – ein Schicksal, das auch den Biberacher Maler Johann Baptist Pflug ereilte. In letzter Zeit freilich scheint sich eine Neubewertung seiner Malerei anzubahnen, wie ein Werkverzeichnis und mehrere Einzelausstellungen in Biberach und Meßkirch gezeigt haben.

Selbstbildnis mit Ehefrau Theresia, um 1840

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Zwischen Babel und Gotik – Künstler bauen sich einen Turm

Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis in den Himmel! So wollen wir uns einen Namen machen, damit wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen.“ Mit diesen Sätzen beginnt eine der folgenschwersten Begebenheiten in der Bibel. Aus Angst, die Menschen könnten übermächtig werden, zerstörte Gott das Werk, zerstreute sie in alle Richtungen und verwirrte ihre Sprache. Der Turm gilt als Symbol des Himmelstrebenden, aber auch der Hybris und des Scheiterns – und doch hört in allen Kulturen das Streben nach oben nicht auf, vom höchsten Kirchturm der Welt in Ulm bis zum – derzeit! – höchsten Bauwerk der Erde in Dubai. Verglichen damit ist der Turm, der jetzt in Rottweil vollendet wurde, in seinen Dimensionen harmlos – und doch zugleich gigantisch bis gigantomanisch, dient er doch einzig dem Test des nach oben Fahrens, der Fahrstühle, damit sie in den immer höher werdenden Gebäuden Einsatz finden können. Dass auch Künstler von diesem Menschheitstraum nicht unbehelligt blieben, zeigt eine Ausstellung im Rottweiler Dominikanermuseum und – natürlich – im Testturm vor den Toren der Stadt.

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Lebens-Kunst: Die Umwertung der Kunstwerte durch Jacob Dahlgren

Es war die vielleicht größte und folgenreichste Revolution in der Kunstgeschichte: Vor 100 Jahren montierte Marcel Duchamps ein ganz gewöhnliches Fahrrad auf einen Hocker und erklärte es zum Kunstwerk. Der Alltag zog in die Welt der Kunst ein, die Trennung zwischen Leben und Kunst war aufgehoben, alles konnte Kunst werden. Die Dadaisten machten daraus geradezu ein Spiel. In diese historische Reihe gehört auch der Schwede Jacob Ivar Dahlgren. Er holt sich die Materialien zu seinen Arbeiten aus dem Baumarkt oder auch aus seinem Kleiderschrank und mit ihnen auch die Inspirationen und zeigt zugleich, dass man Duchamps revolutionäre Tat noch weiterführen kann, was jetzt im Museum Ritter in Waldenbuch nachvollzogen werden kann.

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Eine Synthese von realer Welt und Abstraktion. Andrea Eitel und Volker Blumkowski im Kunstverein Böblingen

Eine rätselhafte Kombination von realistischer Malerei mit abstrakten Bildelementen – das macht das Wesen dessen aus, was seit rund zwanzig Jahren unter dem Begriff der Neuen Leipziger Schule den Kunstmarkt beherrscht, wobei die Künstler, die gemeinhin unter diesem Begriff subsumiert werden – Neo Rauch, Tim Eitel, Katrin Heichel – eine Zugehörigkeit zu einer solchen „Schule“ bestreiten; zu unterschiedlich sind denn auch ihre Arbeiten, auch wenn sich die Kombination dieser konträren Bildsprachen immer wieder in ihrem Werk findet. Dass eine solche Kombination keine neue Erfindung ist, dass schon Jahrzehnte, ehe ein Neo Rauch seinen heutigen Stil gefunden hatte, Künstler mit diesen Bildsprachen spielten, zeigt eine Ausstellung im Kunstverein Böblingen.

 

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Zwischen Unendlichkeit und Sterblichkeit: Die Stahlblüten von Bruno Feger in Schwäbisch Gmünd

Sie wollten das Leben und die Schönheit des Alltags in Bilder fassen, die Stilllebenmaler des 17. Jahrhunderts: Blumensträuße in Vasen, Früchte auf reich gedeckten Tischen. Zugleich verbanden sie mit diesen Naturphänomenen Botschaften – das Welken verwies auf das Vergehen jeden Lebens, die weiße Lilie stand für die Unschuld. Nature morte nannten die Franzosen diese Malerei – tote Natur, was nur bedingt zutrifft, enthalten derlei Gemälde doch in den meisten Fällen Blüten in ihrer vollsten Pracht, also einen Inbegriff des Lebens. Die Skulpturen des Freiburgers Bruno Feger zeigen eben diese Doppelsinnigkeit: florale Stillleben aus Stahl.

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Aus Alt mach Neu – das Weiterleben von Kunst in der Kunst

In der Popszene geht gelegentlich die Angst um, Angst vor Gerichten. So wurden vor zwei Jahren Robin Thicke und Pharrell Williams verurteilt, sieben Millionen Dollar an die Erben von Marvin Gaye zu zahlen, weil ihr Song Blurred Lines allzu sehr einem Song des inzwischen verstorbenen Kollegen ähnele. Vor zwanzig Jahren verlor Madonna vor Gericht, weil sie für ihren Song Frozen vier Takte bei einem Kollegen abgekupfert habe. Doch Zitate galten nicht immer als anrüchig. Johann Sebastian Bach hat gleich ganze Konzerte von Vivaldi bearbeitet – und man sah darin damals kein Sakrileg, sondern eine ehrfürchtige Verneigung vor der Leistung anderer. Dass dem auch heute noch so sein kann, zumindest in der bildenden Kunst, zeigt eine Ausstellung in der Galerie Schlichtenmaier.

Joachim Kupke, After Ian H. Finlay (Dutch Interior), 2015 © Joachim Kupke/VG Bild-Kunst, Bonn

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Raum wird zur Fläche. Bildhauergraphik in der Kunsthalle Vogelmann

Streng genommen gibt es keine unterschiedlicheren Kunstgattungen als die Graphik und die Bildhauerei. Der Graphiker arbeitet streng zweidimensional, flächig oder, noch reduzierter, einzig mit der Linie; Räume kann er nur andeuten. Der Bildhauer arbeitet raumgreifend, schafft Volumina, selbst wenn sein Ausgangsmaterial dünne Eisenstäbe sind. Und doch greifen viele Bildhauer immer wieder zum Stift oder zur Radierplatte, nicht, um Vorskizzen zu ihren späteren Skulpturen anzufertigen, sondern um eigenständige Kunstwerke zu schaffen, die gleichwohl natürlich zumindest im Geist verwandt sind mit ihren dreidimensionalen Kreationen. Eine Ausstellung in der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn zeigt an drei Beispielen auf, wie eigenständig solche Arbeiten sein können und wie nahe sie zugleich doch dem eigentlichen Oeuvre dieser Künstler stehen.

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Eine Art Verwandlung: Stefan Rohrers Umgang mit des deutschen liebstem Kind

Vielen Künstlern galt es als Sinnbild des Fortschritts, der Moderne: das Auto. Die Futuristen sahen in einem aufheulenden Automotor mehr Schönheit als in der Nike von Samothrake, die Popkünstler verherrlichten die Karosserien der Straßenkreuzer in leuchtenden Farben, Andy Warhol feierte 1986 das hundertjährige Bestehen des Automobils mit einer Serie zu den Luxusmodellen der Firma Mercedes, aber er zeigte auch die Kehrseite der Medaille, einen Verkehrsunfall. Wolf Vostell formulierte drastisch, mit einem Auto kaufe man den Unfall gleich mit, und schuf für den Mittelstreifen des Hohenzollernrings in Köln eine Plastik, für die er ein Auto in Beton gegossen hatte: Ruhender Verkehr. Stefan Rohrer vereint in seinen Arbeiten zum Automobil beide Aspekte – den Glanz und die Katastrophe.

Fast and Furious

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Von der Fläche in den Raum: Lothar Quinte und Sibylle Wagner

Künstlerehen sind ein besonderes Phänomen, denn hier kommen neben persönlicher Beziehung künstlerische Mentalitäten in enger Nähe zueinander, was nicht unbedingt gedeihlich sein muss. Paula Becker fühlte sich neben Otto Modersohn alles andere als frei und glücklich, Gabriele Münter stand im Schatten von Wassili Kandinsky, und Lee Krasner spielte in ihrer Ehe mit Jackson Pollock eher die Muse und entfaltete sich erst nach seinem Tod wieder freier in ihrer Kunst. Das Museum Art.Plus in Donaueschingen präsentiert eine Paarung, die trotz eines sehr großen Altersunterschieds offenbar sehr viel harmonischer verlief. Sibylle Wagner, Jahrgang 1952, trat neben ihrer Malerei vor allem mit Installationen und Plastiken hervor, ihr Mann Lothar Quinte, Jahrgang 1923, ging ganz in der Malerei auf.

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