Farbe aus der Steckdose. Lichtkunst von Daniel Hausig im Museum Ritter

Licht als solches ist, entgegen landläufiger Vorstellung, nicht sichtbar, denn es ist reine Energie. Wenn wir den „Lichtschalter“ betätigen, so sagen wir, wir machten Licht, doch diese Formulierung ist falsch, denn wir veranlassen lediglich, dass Strom in einen Leuchtkörper fließt, der dort Helligkeit erzeugt. Für die Künstler war das Phänomen Licht seit Beginn des 20. Jahrhunderts ein besonderes Faszinosum. Schon 1930 entwickelte László Moholy-Nagy einen Apparat, der an verschiedenen Stellen Licht aufleuchten ließ, Mario Merz schrieb mit Lichtröhren Buchstaben in die Luft, und James Turrell erzeugte ganze Lichträume, in denen einem schwummrig werden kann. Daniel Hausig dagegen „malt“ mit Licht und bringt den Betrachter mit seinen Installationen zur Reflexion über seinen Umgang damit, wie eine Ausstellung im Museum Ritter zeigt.

Wetterleuchten, 2019 © VG Bild-Kunst, Bonn 2019, Foto: Daniel Hausig

Man könnte meinen, ein impressionistisches Gemälde vor sich zu haben. Wetterleuchten nennt Daniel Hausig diese Arbeit, in der sich Farben unablässig verändern und wolkig mischen. Das könnte man in der Tat als Wetterleuchten deuten, wie man es in einer Gewitterstimmung erleben kann, und das würde auch dazu passen, dass Hausig sich als Maler fühlt, wenn auch als einer, dessen Farbe gewissermaßen aus der Steckdose kommt, denn neben dem Eindruck eines Naturphänomens ist doch auch unabweisbar, dass es sich um Leuchtröhren handelt, um ein rein technisches Phänomen also. Dieses Spannungsverhältnis findet sich bei Hausig zumal in den Arbeiten der letzten zehn Jahre immer wieder.

So hat er auf dem Boden vierundzwanzig Leuchtkästen aufgestellt – alle gleich groß, ein rein geometrisches, also abstraktes Gebilde. Doch aus den transparenten Kästen schimmert sich ständig veränderndes Licht. Hausig steuert solche Farbveränderungen exakt durch ein Computerprogramm. Soweit wäre das eine reine Lichtinstallation. Doch auch hier fordert der Künstler den Betrachter zu naturnahen Assoziationen auf. Pool nennt er die Arbeit, aus dem Lautsprecher kommen Tropfgeräusche, und das Farbgeschehen auf den transparenten Kästen erinnert an die Wellen, die sich ausbreiten, wenn man einen Stein in einen Teich fallen lässt: Natur und Künstlichkeit gehen eine Synthese ein und bleiben zugleich doch auch immer voneinander getrennte Bereiche.

Das findet sich auch auf Hausigs großformatigen Fotografien, die er in Leuchtkästen ausstellt. Seit einigen Jahren reist er mit einem LED-Lichtschlauch durch die Lande, wie man ihn in jedem Baumarkt kaufen kann, aufgerollt auf eine Art Gartenschlauchwagen. Mit diesem Lichtband verändert er das Ambiente, das er dann mit dem Fotoapparat festhält – meist wenig ansehnliche Orte: Industriebrachen, Abrisshäuser, trostlose Parkplätze. Doch das Lichtband bringt Glanz in diese düsteren Orte, die meist nachts von Hausig aufgesucht werden. Die Künstlichkeit des Lichts lässt die Farben erblühen, macht aber umgekehrt erst recht die Trostlosigkeit des Ambientes deutlich. Die Kälte des von ihm gewählten LED-Lichts trägt dazu bei. Zugleich dienen auf den Fotos die Lichtbänder dazu, die Strukturen der Orte zu verdeutlichen. So führt auf dem Bild eines Hotelzimmers der Schlauch vom Tisch zum Bett, wo er sich zusammenrollt wie die Figur eines schlafenden Menschen. Im Fenster spiegelt sich der Lichtstreifen elegant und verzaubert den an sich recht prosaischen Raum. 

Aus der Serie: Paradiese, 2016 / 18 © VG Bild-Kunst, Bonn 2019, Foto: Daniel Hausig

In einer Paradiese betitelten Fotoserie dient der grelle Lichtschlauch als Antipode zur reinen Natur, macht dabei das Grün eines Rasens noch grüner, als er eigentlich ist, und dient als künstliche Pflanze, die der Gärtner eifrig mit dem Gartenschlauch bewässert.

Diese Vielschichtigkeit findet sich in früheren Arbeiten noch nicht so ausgeprägt. Ein Leuchtband, das sich im Museum Ritter auf dem Boden krümmt und das auf einem Foto um einen Menschen gewickelt ist, wirkt skurril, viel mehr aber nicht. Bei dem geheimnisvoll leuchtenden Stuhl freilich fragt man sich doch sofort, woher das Leuchten kommt. Hausig hat die Latten des Stuhls mit Lumineszenzstoffen beklebt, die aufleuchten, wenn man sie mit einem versteckten UV-Strahler anstrahlt.

Seitenlicht VI, 2017 (Museum Ritter, 2019, Detail) © VG Bild-Kunst, Bonn 2019, Foto: Daniel Hausig

In vieler Hinsicht subtil sind die jüngsten Installationen. Seine Arbeit Seitenlicht zum Beispiel, bei der der LED-Schlauch samt Rollwagen sichtbar wird. Er ist somit Teil des Kunstwerks und zugleich Materiallieferant. Wie die Heizstrahlen an der Rückseite eines Kühlschranks hat Hausig hier die Lichtstreifen an einer Wand angebracht. Sie strahlen wie üblich kaltes weißes LED-Licht nach vorn. Doch hinter ihnen an der Wand erkennt man ein sich ständig veränderndes farbiges Schimmern, und darauf kommt es eigentlich an.

Seitenlicht nennt Hausig die Arbeit denn auch treffend. Es entsteht, weil sich auf der Rückseite des weißen Lichtschlauchs farbige Lichtstrahler befinden, deren Leuchten von der Wand reflektiert und räumlich gemacht wird.

Ähnlich raffiniert ist sein Wetterleuchten, denn die wie Farbröhren wirkenden Gebilde an der Wand sind zweigeteilt, strahlen nach vorn ein anderes Farbprogramm ab als nach hinten. Das Auge versucht, beide Farbverläufe zu einer Einheit zu synthetisieren, und wird doch immer wieder auf das wechselhafte Geschehen vorn und hinten zurückgeworfen. So dienen Hausigs Lichtarbeiten letztlich auch der Erhellung dessen, was wir mit unseren Augen tun: Wir versuchen, aus dem vielfältigen Geschehen um uns herum eine eindeutige Bildwelt herzustellen, während die Realität doch stets nur aus unterschiedlichen, zum Teil sogar widerstrebenden Einzelphänomenen besteht.

Daniel Hausig. Dynamic Light, Museum Ritter, Waldenbuch, bis 20.9.2020. Katalog 160 Seiten, 25 Euro

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