Licht-Kunst: Roger Aupperle im Forum Kunst, Rottweil

Prometheus hatte den Menschen das Feuer und damit Energie und Licht gebracht, beides aber sahen die Götter als ihr Eigentum an. Den Menschen war eine Existenz im Schattenreich zugewiesen, wie das Höhlengleichnis von Plato nahelegt. Das Resultat: Sie ließen den Missetäter an einen Felsen ketten, und dort kam jeden Tag ein Adler und fraß ihm ein Stück seiner Leber weg, die in der Nacht wieder nachwuchs. Hätte der Rottenburger Künstler in derselben Zeit gelebt, dann hätte er möglicherweise ein ähnliches Schicksal gehabt, denn Aupperle bringt zwar nicht Feuer unter die Menschen, sondern nur Licht, das aber in vielfältiger Form und seit Jahren.

Zum ersten Mal tat er das vor zehn Jahren. Da packte er Licht auf einen Anhänger und fuhr damit von seiner Heimatstadt Rottenburg nach Tübingen. Und schon stellen sich Assoziationen ein, wie stets in der Kunst und besonders bei den Aktionen dieses Künstlers. Macht es Sinn, Licht ausgerechnet in eine Stadt zu bringen, in der es vor Professoren nur so wimmelt, also von Menschen, deren Geist leuchtet. Aus Tübinger Perspektive wäre es also sinnvoller, den Rottenburgern heimzuleuchten, andererseits ist es aus katholischer Sicht durchaus einleuchtend, dem protestantischen Tübingen aus der Domstadt Licht zu bringen, das Licht des rechten Glaubens. Damit an Assoziationen nicht genug. So bestand sein Lichtberg damals aus 48 Leuchtkörpern, genauso vielen, wie er an Jahren zählte. Ein Jahr zuvor hatte er schon einmal Licht in Tübingen leuchten lassen, damals auf einem Stocherkahn, und da waren es erst 47 Leuchten, Aupperle brachte mit dem Licht also gewissermaßen seine ganze Person mit nach Tübingen, er ließ sein Licht leuchten, so wie jetzt nach Rottweil, diesmal mit 58 Lampenschirmen.

Was aber war es genau, so fragt man sich weiter, was Roger Aupperle da durch die Gegend kutschierte. Licht ist eigentlich als solches nicht einmal sichtbar, Licht ist Energie. Vielleicht denken wir deshalb gern an Positives, wenn wir von Licht sprechen. Erhelle mich, sagt man, wenn man etwas genauer erklärt bekommen will, was man noch nicht verstanden hat, und schon das Wort „erklären“ hat ja irgendwie mit Licht zu tun: Es wird etwas klar. Die Aufklärung, das Zeitalter, in dem der Mensch begann, sich ganz besonders seines Geistes zu bedienen, galt als ein Zeitalter des Lichts. Die Engländer sprechen übrigens von „Age of Enlightenment“, also Erleuchtung. Von einer großen Persönlichkeit sagt man, sie sei eine Lichtgestalt, ein böser Mensch ist ein finsterer Gesell.

Roger Aupperles Fahrten übers Land mit einem Wagen voller Licht sind nicht die einzigen Erkundungen dieses Künstlers im Reich des Lichts. So sorgte er vor rund fünf Jahren am Heuberg bei Rottenburg für eine sonderbare Erscheinung. Auf einem Video hat er sie festgehalten, das jetzt Teil der Ausstellung ist. Da erscheinen geheimnisvolle Gestalten am Horizont, die alle nach oben strahlten. Es waren von Aupperle erfundene „Lumenophoren“ – von Lateinisch „lumen“, Licht, und dem Griechischen „phoros“, tragend. Und Aupperle nahm diesen Begriff wortwörtlich. Das waren Menschen, die auf dem Kopf Licht trugen, natürlich in Gestalt von strahlenden Lampen. Wie gesagt: Licht kann man unmittelbar nicht sehen, es sei denn, man machte die Energie mit modernen Geräten sichtbar. Aber wie steht es mit dem Hören? Seit einigen Jahren stellt Roger Aupperle zu dieser Frage Experimente an. Sein Versuch bestanden darin, zwei mit Leuchtkörpern ausgestattete Lampenschirme wie einen Kopfhörer aufzusetzen und zu lauschen. In einer Fotoserie hat er diese Tests festgehalten und auch mitgeteilt, was die Probanden zu hören meinten.

Licht? Das ist fraglich, denn es gibt zahlreiche Stimmen, die darauf bestehen, dass Lichtenergie ohne Masse und Materie sei und folglich tonlos, andere wiederum spekulieren, es sei möglich, wenn Lichtenergie auf Materie treffe, dass dann ein Geräusch entstehe, allerdings so leise, dass es mit unserem Gehör nicht wahrnehmbar wäre. Manche hörten ihr Herz schlagen oder das Blut rauschen, das entspricht dem Effekt, den die berühmte Muschel erzeugt, die man ans Ohr halten soll, will man das Meer rauschen hören. Was wir hören, ist unser eigener Körper. Andere Probanden hatten allgemeine Assoziationen, sie meinten, sie seien von einem positiven Gefühl durchpulst gewesen – durchweg waren es positive Empfindungen, die während des Lichthörexperiments empfunden wurden. Das Resultat ist eine faszinierende Fotodokumentation. Hier hat ein Künstler ein Thema in die Welt gesetzt, das weiterstrahlt, denn es regt zu all jenen Fragen um ein Phänomen an, das man nicht greifen, aber reflektieren kann.

Roger Aupperle. Unterwegs“, Forum Kunst Rottweil bis 11.3.2018

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