Deutschland ist reich an so genannten Industriedenkmälern. Sie zeugen von einer wirtschaftlichen Blüte, die einst ganze Regionen prägte wie die Kohleindustrie im Ruhrgebiet und die inzwischen Opfer der wirtschaftlichen Entwicklung geworden ist. Heute dokumentieren ehemalige Industrieanlagen diese Vergangenheit wie etwa die Völklinger Hütte im Saarland. Auch Esslingen am Neckar kann auf eine ruhmreiche industrielle Vergangenheit zurückblicken, die „Esslinger Wolle“ war europaweit ein Begriff, doch kein einziges Bauwerk zeugt heute noch von dieser Epoche. Eine Ausstellung im Esslinger Stadtmuseum schafft Abhilfe.
Ein Leben zwischen Kirchen, Stein und Masken – der Bildhauer Willi Bucher
Vielen gilt er als der „Maskenbucher“ – der Bildhauer Willi Bucher in Fridingen Seit Jahrzehnten schnitzt er traditionelle Masken für die Fastnacht seiner alemannischen Heimat – doch das ist nur eine Nebenbeschäftigung: Denn Willi Bucher ist nicht Handwerker, sondern vielseitig ausgebildeter Bildhauer, und die Masken, die er schnitzt und mit vielerlei ungewöhnlichen Materialien versieht, sind Kunstwerke, in vielen Ausstellung bereits gezeigt.
Nerven, Muskeln und ätherische Ästhetik: „Kammerballette“ in Stuttgart
Was geschieht im menschlichen Gehirn, wenn man Musik hört – eine Frage, die für jeden Choreographen von Interesse sein dürfte, schließlich entsteht in der Regel in der Auseinandersetzung mit musikalischen Reizen der schöpferische Prozess, in dem Bewegungen und Bewegungsmuster für die Tänzer entwickelt werden. Insofern war es ein raffinierter Einfall von Katarzyna Kozielska, in einem Labor ein Elektroenzephalogramm von sich aufzeichnen zu lassen, das ihre Gehirnströme unter Muskeinfluss festhielt. Dem choreographischen Resultat dieses Experiments gab sie den Titel „Neurons“, auch das sehr sinnvoll, schließlich sind Neuronen die elementaren Bestandteile unseres gesamten Nervensystems und damit verantwortlich für sämtliche Prozesse des Lebens, also auch für den Tanz.
Foto: Roman Novitzky (C) Stuttgarter Ballett
Schattenseiten des Menschen: Francisco Goyas Radierungen
Eigentlich sind Werk und Biographie dieses Mannes kaum zu begreifen. Da malte Francisco Goya Mitglieder des spanischen Hofes mit schonungsloser Offenheit, porträtierte geradezu fratzenhafte Gesichter und wird doch akzeptiert, sogar zum Hofmaler ernannt. Es dürfte einer der seltenen Fälle sein, wo Ehrlichkeit, und zwar gnadenlose Ehrlichkeit, von der feinen Gesellschaft offenbar ohne große Probleme hingenommen, sogar honoriert wird. Und dann zieht sich dieser Hofmaler Goya plötzlich weitgehend von repräsentativen Porträts der Adelsgesellschaft zurück und widmet sich in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts intensiv der Graphik, der Radierung. Die Galerie Stihl in Waiblingen zeigt seine vier großen Zyklen. Der erste trägt den harmlosen Titel: „Caprichos“, das heißt „ Launen“ – ist aber ein wahres Pandämonium menschlicher und gesellschaftlicher Mängel.
© Morat-Institut Freiburg i. Brsg. Foto: Bernhard Strauss
Bizets Amour fou als Albtraum an der Oper Stuttgart
Bizets „Carmen“ leidet am Postkartenklischee ihrer Rezeptionsgeschichte. Bizets Titelfigur scheint festgelegt auf die selbstbewusste Frau, die Verführertin schlechthin, ja sogar den Vamp – eine Vorläuferin von Alban Bergs Lulu. Regisseur Sebastian Nübling scheint vordergründig diesem Klischee zu folgen, und doch bricht er es zugleich auf. Er niszeniert nicht die tragische Liebesgeschichte des in die hübsche temperamentvolle Frau vernarrten Sergeanten Don José, er inszeniert all jene Männerträume, die zu dem Zerrbild dieser Carmen geführt haben.
Eine Künstlerin zwischen Heimat und Moderne – Gabriela Oberkofler
Bei Heimatkunst rümpft man gern die Nase: Man denkt an Zopffrisuren, Trachtenfeste, Bilder mit röhrenden Hirschen; sie gilt als rückständig, weltfern, hinterwäldlerisch, Schriftsteller wie Ganghofer oder Anzengruber fallen einem ein. Wenn Künstler von heute sich dem Thema Heimat zuwenden, dann nicht selten ironisch, distanziert. Nicht so Gabriela Oberkofler. Die in Stuttgart arbeitende Künstlerin stammt aus einer Bergbauernfamilie in Südtirol und beherrscht alle Kunstmittel – traditionelle wie die Zeichnung ebenso wie moderne, etwa Performance und Video. Ihre Arbeiten kreisen um Themen wie Heimat, Fremde, Reisen – und immer wieder Natur. In der Kunsthalle Göppingen zeigt sie Zeichnungen und Installationen.
Zwischen Werden und Vergehen. Die Kunst des Joseph Bücheler
Gelegentlich kann man hoch oben in Baumkronen seltsame Gebilde entdecken: Sie sehen wie weißlich-gräuliche alte Stoffe aus und erinnern an Vogelschwingen oder auch an Grabtücher. Das sind Arbeiten des 1936 in Wiesbaden geborenen Joseph Bücheler und stammen aus Papier, Weidenstöcken, Graphit und Asche.
Eislinger Kreisel Beflügelt, 2003. Foto: Michael Flaig © VG Bild-Kunst Bonn 2016
Wenn aus Frauen Hyänen werden: John von Düffels Antikenstück in Stuttgart
Welche Dramatik! Eine halbe Stunde lang liefern sich zwei Frauen mit Wort und Mimik einen Kampf bis aus Blut – Mutter und Tochter. Auf der einen Seite Klytaimnestra, die ihren Gatten Agamemnon ermordet hatte, um mit ihrem Geliebten Aigisthos gemeinsam als Ehepaar auf dem Thron zu sitzen, auf der anderen ihre Tochter Elektra, die nur ein Ziel hat, den Mord an ihrem Vater zu rächen. Solche Charaktere und Konstellationen sollte erst zwei Jahrtausende nach Euripides, Sophokles und Aischylos ein Shakespeare wieder auf die Theaterbühne bringen mit einem Ehepaar Macbeth, das aus Ehrgeiz vor keinem Mord zurückscheut.
Natur abstrakt – Claudia Thorban und Josh von Staudach
Abstrakte Malerei und gegenständliche Darstellung scheinen Widersprüche, wie sie größer nicht sein könnten – die eine losgelöst von jeder Welthaftigkeit, die andere ohne Verhaftung in der bekannten Welt nicht vorstellbar. Und doch können die Grenzen zwischen fließend sein. Das Foto einer Waldlichtung, am Computer manipuliert, kann zur abstrakten Zeichnung mutieren wie bei dem Fotografen Josh von Staudach, und in einer grasgrün bedruckten Glasscheibe kann man unschwer das Abbild einer Wiese sehen wie bei Claudia Thorban.
Groß und leicht zugleich – Kunst aus Natur von Angela M. Flaig
Skulpturenausstellungen stellen Organisatoren und Künstler nicht selten vor logistische Probleme: Skulpturen sind schwer, es sei denn es handelt sich um Kleinplastiken, denen in Fellbach eine eigene Triennale gewidmet ist. Auch die Arbeiten der Rottweiler Künstlerin Angela Flaig sind voluminös, nicht selten zwei Meter hoch, und auch sie bereiten bei Ausstellungen Probleme – allerdings anderer Art als Plastiken aus Stein oder Bronze, denn Angela M. Flaigs Arbeitsmaterial sind Samen. Man hält unwillkürlich den Atem vor ihnen an, denn man muss befürchten, dass sie sich beim geringsten Luftzug in ihre Bestandteile auflösen.
Distelsäule 2015 © VG Bild-Kunst Bonn 2016