Vom Nesenbach an die Ilm: Was Adolf Hölzel mit dem Bauhaus zu tun hat

Die klare Linie, der praktische Umgang mit industriell gefertigten Materialien, das nützliche und zugleich ästhetische Design und vor allem die Architektur – wenn der Name Bauhaus fällt, drängen sich meist unvermittelt diese Vorstellungen auf. Schon die Tatsache, dass der Gründer des Bauhauses, Walter Gropius, eng mit Henry van de Velde zusammenarbeitete, dem die Verschönerung der Lebenswelt in allen Bereichen am Herzen lag, zeigt, dass hier Kunst nicht als ästhetische Instanz erneuert werden sollte, sondern als Instanz des Lebens. So ist das Bauhaus nicht zuletzt dank der so unterschiedlichen Künstler, die als Lehrer wirkten, ein Quell der Vielfalt. Eine Ausstellung der Galerie Schlichtenmaier in Stuttgart regt an, das enge Bauhausbild zu revidieren, auch wenn sie den Blick nicht nach Weimar richtet, sondern nach Stuttgart: Von Hölzel zum Bauhaus.

Den Titel kann man ganz oberflächlich deuten: Von den rund zwanzig Meistern am Bauhaus kamen zwei aus Stuttgart, und beide hatten bei Adolf Hölzel studiert. Streng genommen waren es sogar drei, die es nach Weimar zog, denn Hölzels Assistentin Ida Kerkovius begab sich auch nach Weimar, wenn auch als Studierende, und traf dort auf „Meister“ Johannes Itten, der in Stuttgart in einer von ihr geleiteten Klasse als Schüler gesessen hatte. Die Achse Stuttgart-Weimar war also wichtig, und das war kein Wunder, denn durch Adolf Hölzel hatte sich die Stuttgarter Akademie als Keimzelle der Modernisierung der Kunst entwickelt wie kaum eine andere in Deutschland.

Rein formal entsprach Itten dabei durchaus dem verengten Bauhausbild, denn er baute seine Bilder in jenen Jahren aus abstrakten Farbelementen nahezu konstruktivistisch auf – ohne Konstruktivist zu sein! In späteren Jahren bewegte er sich auf eine Theosophie hin, strebte also eine in allen Facetten zur Einheit gebrachte Weltsicht an, der er durch seine Bilder Ausdruck verleihen wollte. Solche Menschheitsvisionen hatten mehrere dieser jungen Hölzel-Schüler wie etwa Gottfried Graf, der dafür eine Bildsprache fand, die vom Kubismus beeinflusst war. Ittens Bilder folgten außerdem noch einer ganz genau ausgearbeiteten Farbtheorie. Hierin war er ganz Schüler seines Stuttgarter Lehrers.

Hölzel hatte konsequent die Malerei von ihrer Bindung an die reale Welt gelöst, hatte eine Farbtheorie entwickelt, bei der die Farben unabhängig von den Gegenständen der Lebenswelt in der Kunst Verwendung fanden, und hatte drastisch auf eine Geometrisierung der Formenwelt hingearbeitet. Was aber wie ein rein ästhetisches Erneuerungsprogramm wirken mag, war in Wirklichkeit ein Lebenskonzept, denn die Kunst erhielt durch ihn eine Überhöhung, die wiederum das Auge schulte und auf die Betrachtung der Welt Einfluss nahm. Letztlich steckte bereits hinter Hölzels Theorien die Vision eines Gesamtkunstwerks, wie sie dann wohl sein Schüler Oskar Schlemmer am prägnantesten weiterentwickelte, indem er ein ganz neues Menschenbild in seiner Kunst kreierte und zugleich diese menschliche Figur in einen idealen Raum platzierte. Er habe Menschen-Typen schaffen wollen, keine Porträts, und das Wesen des Raums, keine Interieurs. Damit führte er weiter, was Hölzel mit seiner genau durchdeklinierten Geometrisierung und Farbtheorie angestrebt hatte.

Kein Wunder, dass Schlemmer einer der einflussreichsten „Meister“ am Bauhaus war, wie dort die Lehrer genannt wurden, denn auch hier ging es um eine perfekte Synthese von Mensch und Lebenswelt, wie es das Bauhaus vielleicht stringenter hätte realisieren können, wenn Gropius Persönlichkeiten wie Henry van de Velde stärker in sein Team integriert hätte.

Einem Gerücht zufolge hätte noch ein dritter Hölzel-Schüler den Weg nach Weimar finden können, doch dazu kam es nicht: Willi Baumeister. Aber der Name taucht durchaus auch im großen Assoziationsumfeld Bauhaus auf, denn er hatte neben anderen wie Oskar Schlemmer, nachdem Adolf Hölzel die Akademie im Unfrieden verlassen hatte, einen Appell zugunsten Paul Klees als Nachfolger unterzeichnet. Klee wäre auch bereit gewesen, wenn ein Ruf ergangen wäre, doch der kam nicht, und Klee ging schließlich ans Bauhaus.

Und noch einmal steht Baumeister im Zusammenhang mit dem Bauhaus, denn er entwickelte mit Mies van der Rohe vom Bauhaus die Idee zur späteren Weißenhofsiedlung, in der die architektonischen Ideale des Bauhauses realisiert wurden.

Je näher man hinsieht, wird die Achse Stuttgart-Weimar immer tragfähiger. In der Ausstellung der Galerie Schlichtenmaier finden sich auch Künstler, die weder am Bauhaus noch im Hölzel-Kreis waren, aber enge Verbindungen zu Stuttgart entwickelten und eine Kunst hervorbrachten, die Hölzels Geist nahestand, wie etwa Max Ackermann. In Joseph Albers begegnet man zwar einem Bauhausmeister, doch war er nie bei Hölzel, befasste sich aber ähnlich wie dieser intensiv mit dem Zusammenspiel von Farbe und Form.

Es ist müßig zu fragen, wie das Bauhaus wohl ausgesehen hätte, hätte es nicht jene Schar um Adolf Hölzel gegeben, doch war man sich in Weimar bestens bewusst, was da in Stuttgart unter seiner Ägide vor sich ging, und kein Geringerer als Walter Gropius versuchte, den Rücktritt von Hölzel in Stuttgart rückgängig zu machen. So lenkt die Ausstellung den Blick auf ein Bauhaus, das intensiv vernetzt war mit den Strömungen, die eine Erneuerung der Kunst anstrebten. So gesehen ist das Bauhaus ohne Stuttgart vielleicht denkbar, aber nur unvollständig erfasst.

Von Hölzel zum Bauhaus“, Galerie Schlichtenmaier, Stuttgart, bis 9.3.2019. Katalog 48 Seiten, 10 Euro

Ein Gedanke zu „Vom Nesenbach an die Ilm: Was Adolf Hölzel mit dem Bauhaus zu tun hat

  1. Tom

    Das stimmt, Bauhaus ist nicht nur Weimar zuzuordnen. Auch in anderen Städten hat diese Epoche prägende Einflüsse hinterlassen. Lesenswerter Beitrag 😉

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