Achtung vor dem Anderen: Das Christentum in Indien

Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker – die katholische Kirche nahm diese Aufforderung Christi, wie sie im Matthäusevangelium zu lesen ist, sehr genau und vor allem wörtlich. Das Ziel der Missionsarbeit war in der Tat, die ganze Welt dem Christentum zuzuführen – wenn nötig auch mit Gewalt, nicht zuletzt, weil diese Missionsarbeit nicht selten einherging mit der politischen Unterwerfung Afrikas oder Lateinamerikas durch die Kolonialstaaten. So hat die Mission, so gut sie gemeint war, nicht selten einen bitteren Beigeschmack, zumal wenn von Zwangsmission die Rede ist oder von Massentaufe. Dass es auch anders gehen kann, zeigt jetzt eine Ausstellung im Rottenburger Diözesanmuseum.

 

 

Peter Paul Rubens (Maler), Marinus Robyn van der Goes (Stecher). Die Wunder des hl. Franz Xaver in Indien. 1633–35.

Ein großes Gemälde bildet das Entree zur Ausstellung. Es zeigt den hl. Xaver bei der Taufe eine Inders, doch diese Bild spricht eine deutliche Sprache: Bilddetails lassen keinen Zweifel daran, dass Xaver im Auftrag Christi handelt, findet sein Taufschälchen doch ein Pendant im Heiligenschein des Erlösers. Der Täufling ist zu Boden gedrückt, er ist subaltern, er ist unterworfen. Auch in Indien hätte also die Missionierung ähnliche Wege beschreiten können wie in Südamerika. Noch deutlicher ist ein Stich nach einem Gemälde von Peter Paul Rubens, ebenfalls mit dem hl. Xaver. Hier thront über allem die Ecclesia, von ihr aus zerschmettert ein Blitzstrahl ein hinduistisches Heiligtum. Erst durch Zerschlagung der indigenen Religionsausübung wird die Konversion zum Christentum erreicht.

Und als wollten die Christen beweisen, dass die Ungläubigen dringend der Konversion bedurften, werden sie in zeitgenössischen Büchern und Bilddarstellungen als Monster hingestellt, die christliche Missionare foltern oder töten.

Offenbar ganz anders die indische Seite, zumindest seit der Mogulkaiser Akbar Ende des 16. Jahrhunderts Vertreter des Buddhismus, des Islam und des Christentums zu Gesprächen eingeladen hatte. Die Folge war eine intensive Auseinandersetzung indischer Künstler mit christlichem Bildgut. So finden sich Marienbilder, Szenen aus der Josefslegende, sogar der Apostel Matthäus. Doch wäre es falsch, hier von vollzogener Bekehrung der indischen Künstler zu sprechen. Wenn Maria auftritt, dann nicht als Mutter Gottes, sondern als liebende Mutter, und nicht selten wurden christliche Bildelemente mit ostasiatischen Traditionen kombiniert.

Der Evangelist Matthäus. Nordindien, um 1595

So steht Matthäus in einer Landschaft mit Morgenröte, dem traditionellen Symbol für das Göttliche im Islam. Auf solchen Bildern findet eine Amalgamierung christlicher und islamischer oder hinduistischer Motive statt. Wenn auf einem Bild die Szene mit den drei Frauen vor dem leeren Grab Christi zitiert wird, dann ist es ergänzt durch handschriftliche Texte aus der indischen Mystik, die man zwar als die leidenschaftliche Suche der Frauen nach Christi deuten kann, die auf das leere Grab Christi stoßen, doch von einer Kreuzigung kann nicht die Rede sein, sie kennt die hinduistische bzw. islamische Welt nicht.

Traditionelle Christusdarstellungen wie das berühmte Salvator Mundi-Bild von Hendrick Goltzius wurden für Herrscherbildnisse indischer Fürsten adaptiert. Von Christianisierung kann also nicht die Rede sein, wohl aber von einer Offenheit für das Fremde, das Christliche. Und diese Offenheit musste sich unter den Missionaren erst ausbilden …

was aber auch geschah.

Roberto de Nobili. In: da Costa, Catecismo em que se explicão todas as verdades catholicas, 1661 Baltassare da Costa. Südindien, 1661

Vor allem der Jesuit Roberto de Nobili zeichnete sich durch ein fast extremes Zugehen auf die hinduistische Welt aus, indem er Kleidung und Habitus konfuzianischer Mönche nachahmte, um so Kontakt zu den Hindus zu bekommen. Zugleich suchte er mögliche „Verwandtschaften“ im Denken des Hinduismus und des Christentums.

Und er hatte durchaus Nachfolger – bis ins 20. Jahrhundert, und so endet der Ausstellungsgang denn auch in der Gegenwart und auch nicht in Indien. In den 30er Jahren griff ein anderer Jesuit, Henri Lubac, die Erkenntnis Nobilis auf, musste allerdings feststellen, dass die katholische Kirche so weit noch nicht war, sein Orden erteilte ihm Lehrverbot. Doch dann kam das 2. Vatikanische Konzil. Lubac wurde als Berater hinzugezogen und prägte die Erklärung des Konzils über die Einstellung der katholischen Kirche zu anderen Religionen: Nostra Aetate betonte, dass auch andere Religionen das göttliche Geheimnis erforschten, weshalb die Kirche nichts ablehne, was in diesen Religionen wahr und heilig sein. Roberto de Nobilis Beispiel hat späte Früchte getragen. Lubac wurde übrigens rehabilitiert und sogar zum Kardinal erhoben. Dialog mit anderen Religionen ist möglich und möglicherweise fruchtbarer als so mancher andere Weg – eine Erkenntnis, die in der katholischen Kirche eine lange Tradition hat, und Traditionen haben ja mitunter große Wirkung, auch wenn sie eine Zeit auf sich warten lässt.

Dialog der Welten. Christliche Begegnung mit den Religionen Indiens“, Diözesanmuseum Rottenburg bis 12.8.2018. Katalog 320 Seiten, 29 Euro

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