Archiv des Autors: Dr. Rainer Zerbst

Wie im Film: Rossinis Il Signor Bruschino an der Bayerischen Staatsoper

Dass ein Opernregisseur während der Ouvertüre einen Film abspulen lässt und darin nicht selten seine eigene Vorgeschichte der Handlung präsentiert, ist inzwischen fast schon gang und gäbe, und auch dass während der Oper Filme über eine Leinwand flimmern. Damit freilich begnügte sich Regisseur Marcus H. Rosenmüller nicht. In seiner Inszenierung von Rossinis Il Signor Bruschino an der Bayerischen Staatsoper, deren Premiere im Internet als Stream zu sehen war, prägt die Filmästhetik das ganze Bühnengeschehen.

Josh Lovell (Florville), Emily Pogorelc (Sofia), Orchester der Bayerischen Staatsoper © Wilfried Hösl

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Die Tücken des Streamings: Die Premierenübertragung von Verdis La Traviata aus der Staatsoper Wien

Auch wenn die Opernhäuser noch geschlossen sein müssen, geht der Opern- und Ballettbetrieb weiter, reduziert zwar vor leeren Häusern, aber mit Liveaufführungen und Premieren, und konfrontiert den Zuschauer mit einer neuen Ästhetik. Natürlich ist der Klang im Opernhaus dem aus dem Lautsprecher des Heimkinos vorzuziehen, dafür aber ist der Betrachter durch die Kameraperspektiven dem mimischen und gestischen Geschehen sehr viel näher und er sieht Details, die vom festen Platz im Zuschauerraum weniger präsent sind. Bei der Traviata-Premiere an der Wiener Staatsoper freilich, die man per Streaming im Internet verfolgen konnte, war dieses Vergnügen eingeschränkt.

Pretty Yende © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

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Musik tanzt: Mozarts Gran Partita als Inspiration für einen Ballettabend an der Opéra nationale du Rhin

Dass aus einem Schauspieler ein guter Regisseur wird, ist keine Selbstverständlichkeit und auch eher die Ausnahme. Ganz anders in der Welt des Tanzes. Die meisten großen Choreographen fingen als Tänzer an, ob sie nun John Neumeier heißen, Uwe Scholz oder Marco Goecke. Insofern ist ein Ballettdirektor gut beraten, wenn er Tänzern mit choreographischen Ambitionen Möglichkeiten hierfür einräumt. Bruno Bouché, der Leiter des Balletts der Opéra nationale du Rhin, hat nun sieben jungen Talenten seiner Truppe die Aufgabe gestellt, zu jeweils einem Satz von Mozarts Gran Partita ein Tanzstück zu kreieren.

Christina Cecchini. Screenshot vom Stream

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Von der Realität auf die Ballettbühne: Cecil Hotel von Andrey Kaydanovskiy beim Bayerischen Staatsballett

Abgesehen von der Tragik für die unmittelbar Betroffenen ist ein Todesfall in einem Hotel auch für den Hotelier eine unangenehme Angelegenheit, über die wenig gesprochen wird. Erst recht gilt das für einen unnatürlichen Tod, also einen Mord. Im Cecil Hotel in Los Angeles freilich war das eine Zeitlang schon nahezu Normalität, denn 1984/85 war ein gewisser Richard Ramirez hier während seines Hotelaufenthalts für vierzehn Morde in der Umgebung verantwortlich und einige Jahre danach der österreichische Serienmörder Jack Unterweger für drei im Hotel selbst. Außerdem fand man 2013 die Leiche der jungen Elisa Lam im Wasserversorgungstank auf dem Hoteldach. 2019 wählte Andrey Kaydanovskiy dies als Vorlage für eine Choreographie am Bayerischen Staatsballett, die jetzt als Stream im Internet verfügbar ist.

Ensemble © S. Gherciu

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Wieviel Personal ist nötig? Marco Goeckes Der Liebhaber nach Marguerite Duras

Wenn ein literarisches Werk auf die Ballettbühne gelangt, dann geht das in der Regel einher mit einer Reduzierung. Die Zahl der Figuren und der Handlungseinheiten wird verringert, denn die Übermittlung von dramatischen Inhalten benötigt auf der Tanzbühne meist mehr Zeit als auf der Sprechbühne oder im Roman. Als Marco Goecke sich entschloss, den Roman Der Liebhaber von Marguerite Duras in ein Ballett zu verwandeln, hätte er diese Komprimierungsarbeit gar nicht leisten müssen, denn der Roman kommt weitgehend mit fünf Figuren aus. Er aber fügte diesen Hauptfiguren weitere hinzu.

 

Lilit Hakobyan (French Woman) © Ralf Mohr

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Romantik in der Chefetage? Dmitri Tcherniakovs Inszenierung von Webers Freischütz an der Bayerischen Staatsoper

Sie ist vielleicht der Inbegriff der romantischen Oper: Carl Maria von Webers Freischütz, angesiedelt zwischen bürgerlicher Naivität der Jägerszene und archaischen Zaubermächten. Zugleich weist sie in ihrer grandiosen Verknüpfung aller musikalischen und szenischen Elemente voraus auf Wagners Gesamtkunstwerk und stellt Fragen nach Ratio und Übernatürlichem, verbindet Alltagshelligkeit mit Albtraumdunkel – für jeden Regisseur eine Herausforderung. An der Bayerischen Staatsoper hat Dmitri Tcherniakov nun auf jegliche Waldseligkeit und Jägerromantik verzichtet und die Handlung im Hier und Heute angesiedelt.

Pavel Černoch (Max), Golda Schultz (Agathe), Kyle Ketelsen (Kaspar), Ensemble und Chor der Bayerischen Staatsoper © Wilfried Hösl

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Tanz als Zugabe: Strawinskys Geschichte vom Soldaten am Nationaltheater München

Fünf Jahre lag der Skandalerfolg von Igor Strawinskys letztem Ballett Le sacre du printemps zurück; 1918 komponierte er wieder etwas für Tänzer, ein Ballett aber wurde es nicht. Seine Geschichte vom Soldaten ist ein seltsames Mischgebilde: Schauspiel, Orchesterstück und Ballett in einem, weshalb es von einem Schauspielhaus, einem Sinfonieorchester oder einer Oper wie auch einer Ballettcompagnie aufgeführt werden könnte. In München hat jetzt das Nationaltheater in München mit allen Sparten eine Neuproduktion auf die Bühne gebracht.

Carollina Bastos, Nicholas Losada © Wilfried Hösl

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Blick ins Innere: Jean-Pierre Ponnelles Inszenierung von Mozarts Le Nozze di Figaro an der Wiener Staatsoper

Es war kühn, dass Mozart sich 1776 entschloss, das Stück Der tolle Tag von Beaumarchais zu einer Oper zu machen, denn dessen Aufführung war in Wien verboten. Und auch heute ist es voller politischer Brisanz. Man kann es als Anklage gegen den Adel bzw. Obrigkeit allgemein verstehen, es ist auch für die Metoo-Debatte von Relevanz, schließlich will hier ein Graf seine Position ausnutzen, um ein Dienstmädchen zum Sex zu zwingen – idealer Stoff für ein Regietheater von heute. Als Jean-Pierre Ponnelle die Oper 1977 für die Wiener Staatsoper inszenierte, war Regietheater allerdings erst im Entstehen und von einer Metoo-Debatte keine Rede. Ponnelle setzte auf Psychologie – und kam damit Mozarts Musik durchaus entgegen. Jetzt steht die Inszenierung wieder auf dem Wiener Spielplan.

Louise Alder (Susanna), Andrè Schuen (Conte d’Almaviva) © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

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Über allem wacht der „Kini“. Rossinis Cenerentola am Münchner Gärtnerplatztheater

In der Regel verhalten sich die Opernkomponisten sängerfreundlich und schreiben die schwierigen Arien in die erste Hälfte der Oper. So singt Radamès sein „Celeste Aida“ gleich zu Beginn von Verdis Ägyptenoper, die Felsenarie der Fiordiligi in Così fan tutte erklingt im 1. Akt, und auch Rossini lässt in seinem Barbier von Sevilla Rosina ihre Koloraturarie früh singen. Nicht so in La Cenerentola. Hier bildet die mit Koloraturen gespickte Hauptarie der Titelfigur den Schluss der Oper. Nach drei Opernstunden eine Herausforderung.

Gyula Rab (Don Ramiro), Alexander Grassauer (Alidoro), Anna-Katharina Tonauer (Angelina), Daniel Gutmann (Dandini), Herrenchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz © Christian POGO Zach

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Zwischen Artistik und Poesie: Das Bayerische Junior Ballett München auf der Bühne des Nationaltheaters

Seit zehn Jahren gibt es das Bayerische Junior Ballett München. Es ist eine wichtige Einrichtung, gibt sie doch jungen begabten Tänzern, die ihre Ausbildung absolviert haben, Gelegenheit, zwei Jahre lang Erfahrung in ihrem künftigen Beruf zu machen, obwohl sie noch keine feste Stelle an einem großen Haus haben. Vergleichbare Juniorballette gibt es auch in Frankfurt, Zürich und Dortmund. Welches künstlerische Potential sich dahinter verbirgt, kann man derzeit im Internet verfolgen, denn coronabedingt konnte ein neuer Ballettabend des Bayerischen Junior Balletts auf der Bühne des großen Staatsballetts im Nationaltheater nur als Stream dargeboten werden, der allerdings bis 3.3.2021 im Rahmen der Montagsstücke des Staatstheaters abgerufen werden kann.

Hélian Potié, Phoebe Schembri © Wilfried Hösl

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