Archiv des Autors: Dr. Rainer Zerbst

Achtung vor dem Anderen: Das Christentum in Indien

Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker – die katholische Kirche nahm diese Aufforderung Christi, wie sie im Matthäusevangelium zu lesen ist, sehr genau und vor allem wörtlich. Das Ziel der Missionsarbeit war in der Tat, die ganze Welt dem Christentum zuzuführen – wenn nötig auch mit Gewalt, nicht zuletzt, weil diese Missionsarbeit nicht selten einherging mit der politischen Unterwerfung Afrikas oder Lateinamerikas durch die Kolonialstaaten. So hat die Mission, so gut sie gemeint war, nicht selten einen bitteren Beigeschmack, zumal wenn von Zwangsmission die Rede ist oder von Massentaufe. Dass es auch anders gehen kann, zeigt jetzt eine Ausstellung im Rottenburger Diözesanmuseum.

 

 

Peter Paul Rubens (Maler), Marinus Robyn van der Goes (Stecher). Die Wunder des hl. Franz Xaver in Indien. 1633–35.

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Licht im Dunkel: Der Maler Hermann Pleuer

Ein Gemälde gab der Kunstrichtung den Namen: Impression – Soleil levant. Claude Monet vereinte da die großen Elemente, aus denen sich der Impressionismus zusammensetzte: Den Eindruck, den die Welt im Auge hinterließ, und das Licht. Duftige Himmelsbilder entstanden auf diese Weise, helle Farben dominierten, auf Schwarz oder Dunkelbraun verzichtete man gern, alles atmete eine Leichtigkeit des Seins. Nicht so bei den Künstlern, die sich im Schwäbischen dem Impressionismus verschrieben. Hier sucht man den Himmel oft vergebens, auf ihren Bildern taucht man oft in dunkle Waldszenen ein, erdige Farben dominieren, aber auch die Technik, die Farbflächen in einzelne Farbstriche und -flecken aufzulösen. Das Museum im Prediger in Schwäbisch Gmünd zeigt einen Extremfall dieser ganz eigenen Richtung: Hermann Pleuer.

Mädchen am Fenster, 1894

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Vom Realen zum Möglichen: Künstler schaffen Räumlichkeiten

Es ist die große Domäne aller Kunst: Tun zu können „als ob“. Mag ein Gemälde der Außenwelt auch extrem nahe kommen wie in der Trompe l’oeil-Malerei, so bleibt sie doch eine Sphäre sui generis. Ganz anders die Architektur: Sie bedient sich des Als-ob, einer Zeichnung oder eines Modells als Vorstufe, doch ihre vornehmliche Arbeit findet im Bereich des Realen statt und muss den Gesetzen dieser Sphäre gehorchen. Wie es aussieht, wenn sich Künstler mit dem befassen, was die Architekten herstellen – Räumlichkeiten jeder Art – zeigt eine Ausstellung im Kunstwerk in Eberdingen.

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Kunst gebiert Kunst: Albert Weisgerber in der Kunststiftung Hohenkarpfen

Im 16. und 17. Jahrhundert war es für Künstler nördlich der Alpen ein Muss, nach Italien zu reisen und sich an der dortigen Kunst zu schulen. Was einem Dürer und Rubens die Mittelmeerwelt war, bedeutete für die Künstler im 19. Jahrhundert Frankreich, vor allem Paris. Hier holte man sich Inspirationen von den gerade herrschenden neuen Stilen – dem Impressionismus, dem Pointillismus -, vor allem aber von einzelnen Künstlerpersönlichkeiten wie Cézanne oder van Gogh. Diesem Drang konnte sich auch der 1878 geborene Bayer Albert Weisgerber nicht entziehen. Er ließ sich anregen, kopierte auch, und entwickelte daraus einen ganz eigenen Stil.

Der Maler und die drei Grazien, 1910

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Ja – aber: Minimal Art heute in der Kunsthalle Tübingen

Objektiv sollte sie sein, klar, schematisch, vor allem bar jeder Persönlichkeit – die Künstler der Minimal Art strebten in den 60er Jahren eine radikale Abkehr von der extrem subjektiven Kunst der abstrakten Expressionisten an, die spontan ihr Innerstes im Augenblick des Malens auf die Leinwand brachten. Die Folge: Reduzierung auf einfachste geometrische Formen, Vermeidung jeder persönlichen Handschrift, Verwendung industriell genormter Materialien. Das sollte die Konzentration schärfen und den Betrachter auf seine eigene Wahrnehmung lenken. Solche Zielsetzungen faszinieren auch heute noch, auch die Reduzierung auf einfache Formen, und doch ist das, was Künstler heute unter Bezugnahme auf die Minimal Art herstellen, etwas radikal anderes, wie eine Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen zeigt.

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Was ist Farbe? Neue Bilder von Tamina Amadyar

Vergleiche helfen, einen Künstler einzuordnen, aber wird man ihm dadurch gerecht? Ist nicht spätestens seit Beginn der Moderne jeder Künstler einzigartig und also unvergleichbar? So ist es wenig hilfreich, die 1989 in Kabul geborene Tamina Amadyar mit Malergrößen wie Helen Frankenthaler, Ellsworth Kelly oder Agnes Martin zu vergleichen, was bereits der Fall war, denn diese drei Künstler sind jeweils höchst unterschiedlich, was Vergleiche verbietet. Wenn man ein Schlagwort bemühen will, dann das der Farbfeldmalerei, denn nichts anderes bringt die Künstlerin auf die Leinwand und hat in ihren neuesten Arbeiten eine sehr freie Behandlung solcher Farbfelder entwickelt, wie eine Ausstellung im Reutlinger Kunstverein demonstriert.

miracle mile, 2018

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Spaß mit Ernst: Jossi Wieler und Sergio Morabito inszenieren Donizettis Don Pasquale

Alter Reicher will junge hübsche Frau – ein Standardthema der Komödie, bereits in der italienischen Commedia dell’arte ein klassisches Motiv. Der Alte macht sich zum Dummen und wird am Ende düpiert. Das liegt auch Gaetano Donizettis Don Pasquale zugrunde, und doch steckt hinter dieser komischen Oper mehr Substanz, als man annehmen möchte. Donizetti schrieb eine Oper über Liebe ohne richtiges Liebesduett, ohne überzeugendes Liebespaar – vor allem schrieb er eine Commedia dell’arte-Oper zeitgenössisch. All das haben Jossi Wieler und Sergio Morabito in ihrer neuen Stuttgarter Inszenierung beherzigt.

Enzo Capuano (Don Pasquale). Foto: Martin Sigmund

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„Die Fantastischen Fünf“ – Ballettdirektor Reid Anderson nimmt mit fünf Uraufführungen Abschied vom Stuttgarter Ballett

Dem künftigen Intendanten des Stuttgarter Balletts, Tamas Detrich, könnte der neue Ballettabend zu denken geben. Als Marco Goecke, mit dessen neuem Stück der Abend endete, die Bühne betrat, regnete es aus dem Publikum Blumensträuße und der langjährige Stuttgarter Hauschoreograph erhielt Standing Ovations. Das war zum einen hymnisches Lob für seine Choreographie, mit der er ganz neue Wege beschritt, das war aber auch als Protestkundgebung zu interpretieren, denn Detrich hatte vor einigen Wochen bekanntgegeben, dass er Goecke in seiner Intendanz nicht mehr als Hauschoreograph beschäftige, den Künstler, dem die Compagnie in den vergangenen Jahren zwölf fulminante Uraufführungen verdankt.

© Stuttgarter Ballett

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Widersprüche in sich: Die Plastiken von Axel Anklam

Die Vorstellungen, die man mit einer Plastik verbindet, sind klar umrissen. Eine Plastik ist ein dreidimensionales Gebilde, also raumgreifend, definiert sich über das Volumen, mithin über die Außenfläche, und ist in der Regel kompakt – aus Stein oder Holz. Im Fall von Metallplastiken kann sie auch innen hohl sein, vor allem aber ist sie schwer. Bei den Plastiken von Axel Anklam allerdings scheint alles anders, seine Arbeiten hinterfragen die traditionellen Aspekte der klassischen Plastik und zwingen den Betrachter, seine festgefügten Ansichten zu überdenken, wenn nicht gar zu relativieren.

 

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Ein Märchen um König Fußball: J. L. Carrs Buch Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten

Dass ein Zwerg einen Riesen besiegen kann, ist spätestens seit der Geschichte von David und Goliath Standardmotiv so mancher Märchen. Und Märchen werden auch in der Welt, in der wir leben, wahr. So geschehen 2008 in Deutschland. Da stieg der Fußballverein einer 3000-Seelen-Gemeinde in die Bundesliga auf. Zugegeben: es hatte der Unterstützung eines millionenschweren Unternehmers bedurft, aber die Sensation war perfekt: Die TSG Hoffenheim schreibt Fußballgeschichte. Dass ein solches Märchen auch in einem Dorf wahr werden kann, hat J.L.Carr 1975 in einem schmalen Bändchen geschildert. Und dieser Fußballmannschaft gelang nicht nur der Aufstieg in die englische Liga, sie errang sogar den Finalsieg im Wembley Stadion und damit den Englischen Pokal.

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