Abstrakte Malerei und gegenständliche Darstellung scheinen Widersprüche, wie sie größer nicht sein könnten – die eine losgelöst von jeder Welthaftigkeit, die andere ohne Verhaftung in der bekannten Welt nicht vorstellbar. Und doch können die Grenzen zwischen fließend sein. Das Foto einer Waldlichtung, am Computer manipuliert, kann zur abstrakten Zeichnung mutieren wie bei dem Fotografen Josh von Staudach, und in einer grasgrün bedruckten Glasscheibe kann man unschwer das Abbild einer Wiese sehen wie bei Claudia Thorban.
Archiv der Kategorie: Kunst
Groß und leicht zugleich – Kunst aus Natur von Angela M. Flaig
Skulpturenausstellungen stellen Organisatoren und Künstler nicht selten vor logistische Probleme: Skulpturen sind schwer, es sei denn es handelt sich um Kleinplastiken, denen in Fellbach eine eigene Triennale gewidmet ist. Auch die Arbeiten der Rottweiler Künstlerin Angela Flaig sind voluminös, nicht selten zwei Meter hoch, und auch sie bereiten bei Ausstellungen Probleme – allerdings anderer Art als Plastiken aus Stein oder Bronze, denn Angela M. Flaigs Arbeitsmaterial sind Samen. Man hält unwillkürlich den Atem vor ihnen an, denn man muss befürchten, dass sie sich beim geringsten Luftzug in ihre Bestandteile auflösen.
Distelsäule 2015 © VG Bild-Kunst Bonn 2016
Kunst im Auge des Betachter. Das Panoptikum von Jürgen von Ulardt und Dieter Rautenberg
Spätestens seit Marcel Duchamp kann streng genommen alles zur Kunst erklärt werden. Als der Franzose 1917 in den USA ein handelsübliches Pissoir für eine Ausstellung einreichte, wurde er zwar abgelehnt, stieg aber zum Medienereignis auf – und schrieb Kunstgeschichte. Was fängt in einem solchen Kunstjahrhundert ein Museumsbesucher an, wenn er an der Wand eines Musentempels einen Feuerlöscher erblickt? Er geht andächtig davor in die Hocke und stellt Fragen – so jedenfalls in einer Collage des Psychologen Jürgen von Ulardt und des Pädagogen Dieter Rautenberg. Beide befragen seit Jahren die Kunstgeschichte quer durch die Jahrhunderte nach einem tieferen Sinn – oder auch Unsinn.
Zwischen Abstraktion und Realismus – die Alltagswelt auf den Bildern von Cornelius Völker
Vor 25 Jahren malte Cornelius Völker eine Tafel Schokolade – ein auf zwei Meter groß, dabei extrem ralistisch. Die Stückchen der Tafel schienen sich reliefartig dem Betrachter entgegenzustrecken, die Oberfläche glänzte, sodass man am liebsten gleich seine Zähne in die süße Verführung versenken wollte – hätte diese Schokoladentafel nicht etwas Unnatürliches an sich gehabt. Zu perfekt wirkte der Glanz, zu glatt die Oberfläche. Je länger man vor einem solchen Bild stand, und das Gleiche traf auf andere Bilder dieses Künstlers wie dem einer Damenhandtasche zu, fragte man sich unversehens: Wie hat er das gemacht, wie konnte er das Auge derart täuschen.
Abenteuer für das Auge: Die Stahlplastiken von Jörg Bach
Skulpturen haben mehr als nur eine Perspektive, sie sind Kunstwerke im Raum, man kann die Objekte umrunden – und erhält meist unterschiedliche Ansichten. Das ist bei dem Stahlbildhauer Jörg Bach nicht anders, und doch ist sein Werk ungleich „vielseitiger“ als die meisten vergleichbaren Stahlskulpturen. Vor Bachs Skulpturen muss sich der Betrachter wenige Zentimeter nach rechts oder links bewegen, und schon bietet ihm die Arbeit ein völlig anderes Bild. Mehr noch: die Plastiken scheinen sich, während sich der Betrachter vor ihnen bewegt, unablässig zu verändern. Bach arbeitet zwar wie viele andere Stahlbildhauer mit viereckigen Stahlblechen, die er für den weiteren Gebrauch zurechtschneidet, doch von den Formen dieser Ausgangsmaterialien ist bei den fertigen Arbeiten kaum mehr etwas zu sehen, allenfalls zu ahnen.
Hinein ins pralle Menschenleben: Die Kunst um 1500 am Beispiel von Albrecht Dürer und Lucas van Leyden
Eine Kuh, die auf dem Bild eines Milchmädchens den größten Raum einnimmt – das wäre vor 1500 in der Kunst kaum denkbar gewesen; der Niederländer Lucas van Leyden zeigte 1510, dass das möglich sein kann. Ein dicker Schlüsselbund am Ärmel einer Frau macht deutlich, dass sie und nicht der Koch an ihrer Seite das Sagen hat; Albrecht Dürer hatte damit 1496 mitten in das Alltagsleben gegriffen und ein Zeichen gesetzt. Die Staatsgalerie Stuttgart dokumentiert mit einer neuen graphischen Ausstellung einen kunsthistorischen Wendepunkt; sie vereint zwei Künstler, die zukunftsweisend sein sollten: Albrecht Dürer und Lucas van Leyden – der Deutsche eine knappe Generation älter als der Niederländer.
Lucas van Leyden. Das Milchmädchen. Staatsgalerie Stuttgart
Kunst aus Licht – der Lunapark im Museum Ritter
„Quadratisch, praktisch, gut“ so lautet ein Werbespruch für eine berühmte Schokoladenmarke, die in Waldenbuch unweit von Stuttgart hergestellt wird. Das Unternehmen gehört den Geschwistern Alfred Ritter und Marli Hoppe-Ritter, und Letztere hat ein großes Hobby: Sie sammelt Kunst, die sie im eigens dafür erbauten Museum Ritter auch zeigt. Einziges formales Kriterium: Die Arbeiten müssen quadratisch sein. Jetzt zeigt sie in einer Ausstellung, dass sich quadratische – das heißt also vor allem abstrakte Kunst – nicht nur mit Pinsel und Stift auf Papier und Leinwand realisieren lässt, sondern auch mit dem Phänomen Licht. „Lunapark 2000“ heißt die Ausstellung, denn seit dem Jahr 2000 sammelt Marli Hoppe Ritter eben auch Lichtkunst.
Künstler in sieben Generationen: Die Mesmers in Oberschwaben
Kinder von begabten, vielleicht sogar genialen Eltern haben es nicht leicht. Der Sohn von Goethe war eher ein Versager, von Mozarts Kindern ist auch keines im Musikerhimmel gelandet. Im Fall der Familie Mesmer in Oberschwaben ist es anders. Noch der letzte der Dynastie, der Flugpionier Gustav Mesmer, wiewohl kein Maler, sondern Tüftler, zeigte Spuren von dieser Begabung – Generationen nach dem Urvater dieser Sippe: Johann Georg Mesmer. In zahlreichen Kirchen in Oberschwaben hat er Wände und Decken ausgestaltet – so beispielsweise in Saulgau. Dort zeigt jetzt eine Ausstellung, wie er seine Begabung an die folgenden Generationen weitergeben hat.
Von Göttern, Dämonen und Spaßmachern. Das Schattentheater von Asien bis Europa im Lindenmuseum
Kein Licht ohne Schatten: Das graue Gebilde, das einem vorausgeht oder nachfolgt, ist untrennbar mit dem Menschen verbunden – Peter Pan hat seinen Schatten auf der wundersamen Insel verloren und sucht ihn verzweifelt, Peter Schlemihl in Adalbert von Chamissos Erzählung hat seinen verkauft und ist seitdem nurmehr ein Mensch zweiter Klasse. Kein Schatten ohne Licht, aber auch kein Licht ohne Schatten – diese geradezu philosophische Verbindung zwischen dem dreidimensionalen realen Körper und dem schemenhaften Begleiter hat seit jeher die Phantasie beschäftigt. Vermutlich haben schon seit Tausenden von Jahren Kinder versucht, ihrem Schatten nachzujagen, oder ihn einem geisterhaften Reich zugeordnet. So ist es nicht verwunderlich, dass er in nahezu jeder Hochkultur die Kreativität zu einer künstlerischen Blüte inspiriert hat.
Rama versucht, Kumbhakarnas Zauberspeer aus dem Körper seines Bruders zu ziehen. Thailand, frühes 20. Jh. © Linden-Museum Stuttgart, Foto: A. Dreyer
Tanz mit dem Pinsel – Hann Trier in der Galerie Schlichtenmaier
Spätestens seit Kandinsky hatte sich die Malerei von ihrer Bindung an die Welt der Gegenstände gelöst. Das war für die Künstler des 20. Jahrhunderts sicher eine Befreiung – zugleich aber auch eine Herausforderung, die auch als Last empfunden worden sein dürfte. Versuche, die Malerei ganz der Geometrie zu unterwerfen, zeugen davon. Die Künstler des 20. Jahrhunderts waren auf der Suche nach einer ganz eigenen Malweise jenseits der Welt, die sie vor Augen hatten – und fanden sie, fast zwangsläufig – schließlich in sich selbst: Informell nannte der französische Kritiker Michel Tapié jene Kunst, die ganz aus der künstlerischen Intuition des einzelnen schöpft. Pierre Soulages und Hans Hartung waren in Frankreich große Vertreter dieser Richtung, Gerhard Hoehme und Emil Schumacher in Deutschland – und auch der vor 100 Jahre geborene Hann Trier.






