Archiv des Autors: Dr. Rainer Zerbst

„Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, spielt weiter.“ Shakespeare und die Musik

Viel hat man Shakespeare angedichtet – kein Wunder, ist er doch die rätselhafteste Figur der Literaturgeschichte, so rätselhaft, dass man heute noch spekuliert, wer eigentlich hinter diesem Namen stecken könnte, denn allzu unglaubwürdig scheint die Tatsache, dass sich ein junger Mann aus der Provinz (aus Stratford) auf den Weg nach London macht, dort innerhalb weniger Jahre zum bedeutenden Theaterdichter avanciert – und möglicherweise zum Liebhaber hochadliger Damen –, dann diesem Theaterleben Adieu sagt und sich wieder nach Stratford zurückzieht. Seine Stücke verraten eine immense klassische Bildung, psychologisches Einfühlungsvermögen, dichterische Ausdruckskraft – und eine große Affinität zur Musik. Ein Kammerkonzert der Oper Stuttgart zeichnet nach, welche Auswirkungen Shakespeare auf die Musikgeschichte hatte.

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Titelseite der ersten Shakespeare-Gesamtausgabe von 1623

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Der Mensch im 20. Jahrhundert. Zum Schaffen des Bildhauers Roland Martin

Ein Handwerksbursche aus dem 19. Jahrhundert steht vor der Kreissparkasse Tuttlingen. Es ist eine Bronzefigur des Bildhauers Roland Martin. Mit offenem Mund steht er da und blickt verständnislos in die Höhe, und von dort blicken ihm von einer Brüstung aus Figuren unseres Jahrhunderts zu. Diese Kombination von Einzelfigur und Gruppenbild ist charakteristisch für die Figurenplastiken von Roland Martin. Eine Retrospektive in der Städtischen Galerie seines Heimatortes Tuttlingen zeigt jetzt fünf Jahrzehnte seines Schaffens, und das stand keineswegs nur im Dienst der Figur.

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Sitzende Josefine,1987. Sitzender auf Stuhl, 2001. Foto Horst W. Kurschat

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Ein Privathaus als Denkmal: Das Theodor Heuss Haus in Stuttgart

Es wäre nicht verwunderlich, wenn derzeit so mancher Freie Liberale in Erinnerung an eine Zeit, da die FDP in der politischen Landschaft der Bundesrepublik nicht selten Zünglein an der Waage war, eine Pilgerreise nach Stuttgart unternähme, in den Feuerbacher Weg 46. Dort steht der Alterswohnsitz, den Heuss 1959 bezog, nachdem er aus dem Amt des 1. deutschen Bundespräsidenten ausgeschieden war. Lange Zeit war ihm dort nicht beschieden, er starb in seinem Schlafzimmer vier Jahre danach. Es wurde nach seinem Tod Sitz des Theodor-Heuss-Archivs, war danach privat vermietet, bis es durch die Stiftung mit dem etwas umständlichen Namen Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus erworben und in ein Museum umgewandelt wurde. 2002 wurde es offiziell eröffnet.

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                                                © Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus. Foto: Bernd Eidenmüller: Theodor-Heuss-Haus, Stuttgart.

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Kunst entsteht im Kopf. Die Klasse Georg Winter in der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen

Die Kunst von Georg Winter findet streng genommen im Kopf statt. Er entwirft Projekte, die im öffentlichen Raum ausgeführt werden können – und oft auch werden. Dass Winter seit 2007 an der Hochschule der Bildenden Künste Saar Plastik und Bildhauerei lehrt, wirkt fast paradox, denn seine Kunst ist temporär, flüchtig. Jetzt ist er mit seiner Studentenklasse Gast in der Städtischen Galerie in Schwenningen, und auch seine Studenten arbeiten in erster Linie mit Projekten. So stand im Vorfeld der Ausstellung denn auch eine Jury, die im Unterschied zu anderen Kunstkommissionen nicht fertige Werke zu begutachten hatte, sondern eben schriftlich beschriebene Projekte, von denen die besten realisiert werden sollten. Doch dabei blieb es nicht.

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                                                                                            Konstantin Felker, Zaun (Foto: Felker)

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Liebe im Totalitarismus. Beethovens „Fidelio“ in der Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito

Zehn Jahre lang mühte sich Ludwig van Beethoven mit seiner einzigen Oper ab. Erst hieß sie „Leonore“, dazu schrieb er drei Ouvertüren, schließlich entstand „Fidelio“ mit einer ganz neuen Ouvertüre. Es ist ein Loblied auf eheliche Treue, denn Leonore rettet, als Mann verkleidet, ihren Mann Florestan aus dem Willkürgefängnis des Gouverneurs Pizarro. Und auch Regisseure tun sich mit dem Werk schwer, nicht zuletzt wegen der langen Dialoge, die vielen als Inbegriff plumper Biederlichkeit gelten. Manche Dirigenten verzichten ganz darauf. Nicht so Jossi Wieler und Sergio Morabito in ihrer neuen Stuttgarter Inszenierung. Sie lassen sie ungekürzt.

Fidelio von Ludwig van Beethoven 25. Oktober 2015 Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling Regie und Dramaturgie: Jossi Wieler, Sergio Morabito Bühne: Bert Neumann Kostüme: Nina von Mechow Licht: Lothar Baumgarte Chor: Johannes Knecht Auf dem Bild:

Rebecca von Lipinski (Leonore), Michael König (Florestan). Foto: A.T. Schaefer

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Der Betrachter als Narziss? Christian Megert im Museum Ritter

In der Regel sollte der Besucher einer Kunstausstellung von sich selbst absehen. Er sollte sich ganz auf das Gegenüber des Kunstwerks einlassen, versuchen, die Kompositionskriterien nachzuverfolgen, die inhaltlichen Aussagen zu erfassen. Es gilt das Werk, nicht das Ich. Ganz anders bei dem Schweizer Christian Megert. Er arbeitet nicht mit Ölfarbe, Holz oder Stahl, er arbeitet mit Spiegeln. Ihnen kann der Betrachter der Werke nicht entgehen, er ist stets mit sich selbst konfrontiert. Und Megerts Werke sind – auch wenn sie wie Reliefs wirken – weder Bilder noch Skulpturen, sondern Räume – Räume der besonderen Art.

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Die Welt als menschenleeres Universum. Die Fotos von H.G. Adler in Marbach

Ehe Péter Nádas Schriftsteller wurde, war er Fotograf. Daher hat ihn das Deutsche Literaturarchiv in Marbach eingeladen, das Fotoarchiv zu sichten – Abertausende von Fotos. Nádas fing beim Buchstaben A an und war sofort von den Fotos fasziniert, die aus dem Nachlass von H.G.Adler stammen. Adler war Schriftsteller, der das KZ Theresienstadt überlebte. Nach dem Krieg hat er darüber eine große Monographie geschrieben – und Adler war ein geradezu manischer Fotograf. 8000 Fotos enthält sein Nachlass, Péter Nádas hat daraus eine Ausstellung und einen biographischen Essay über Adler gemacht.

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                                   H.G.Adler. Blick durch Lärchen. Auf Crasta Fex. Foto: DLA Marbach

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Ein Leben in der Kunst. Felix Schlenker im Dominikanermuseum Rottweil

Er begann damit, aus dem Schutt der Kriegsbomben Relikte der Vergangenheit zusammenzutragen, die er dann in Assemblagen und Collagen zu Kunstwerken verarbeitete. Felix Schlenker war damit seiner Zeit voraus. Später wurden die Werke des 1920 in Schwenningen geborenen Künstlers immer strenger, reduzierter. Das Dominikanermuseum in Rottweil zeigt nun einen Überblick über das Schaffen eines eigenwilligen Künstlers.
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Verankert in der deutschen Tradition. Der Dirigent Dan Ettinger

Ein neuer Chefdirigent bei den Stuttgarter Philharmonikern war dringend notwendig, denn der vorherige – Gabriel Feltz – hatte das Orchester bereits 2013 verlassen. Der neue muss nicht weit anreisen, er war bisher Generalmusikdirektor am Nationaltheater in Mannheim – Dan Ettinger. Der 44jährige stammt aus Israel, studierte unter anderem bei Daniel Barenboim und zählt zu den begehrtesten jungen Dirigenten unserer Zeit: Regelmäßig ist er Gast an den Opern von München, Berlin, leitete lange Jahre Sinfonieorchester in Israel und Tokio.

Dan Ettinger dirigiert die Stuttgarter Philharmoniker in der Liederhalle am 04.10.0214 in Stuttgart. Foto: Thomas Niedermueller / niedermueller.de

Dan Ettinger dirigiert die Stuttgarter Philharmoniker in der Liederhalle am 04.10.0214 in Stuttgart.
Foto: Thomas Niedermueller / niedermueller.de

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Vibrierende Körper. Der Choreograph Marco Goecke

Seit mindestens zehn Jahren zählt Marco Goecke zu den gefragtesten Choreographen. Allein in diesem Jahr hat der 43jährige aus Wuppertal Gebürtige bereits vier Arbeiten geschaffen – für die unterschiedlichsten Häuser: das Münchner Gärtnerplatztheater, das Nederlands Dans Theater, das Ballett am Rhein und das Stuttgarter Ballett, wo er seit zehn Jahren Hauschoreograph ist. Jetzt hat ihn die Fachzeitschrift „Tanz“ zum „Choreographen des Jahres“ gekürt. Er habe, so die Begründung, eine unverwechselbare Signatur, seine Arbeiten seien „surreal vibrierende Wunderwerke – der Zeit, des Raums, des Körpers“.

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                                                                                            Marco Goecke. Foto: Roman  Novitzky

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