Aus Liebe zur Geometrie: Die Konkrete Kunst in der Sammlung Teufel

Es war eine radikale Absage an Inhalte in der Malerei. Persönlicher Ausdruck war verpönt. Es galten nur konkrete Dinge wie Farbe, Linie, Fläche. So definierte Theo van Doesburg 1930 die von ihm mit Freunden konzipierte neue Kunst: Die Konkrete Kunst war geboren. Es hätte mit dieser radikalen Einschränkung der Ausdrucksmittel eine Sackgasse in der Kunstgeschichte werden können. Doch bis heute hat sie an Aktualität nichts verloren. Daran hat nicht zuletzt der Galerist und Sammler Heinz Teufel einen wesentlichen Anteil, denn er setzte sich entschieden für das Konkrete in der Kunst ein.

 

Dass eine Kunst, die sich derart streng auf die Geometrie konzentriert, sich nicht selten ausnimmt wie eine Wissenschaft, ist dabei nicht verwunderlich, und einer ihrer Hauptvertreter, Josef Albers, war denn auch Kunstpädagoge, hatte am Bauhaus gelehrt und später in den USA systematisch erkundet, wie sich Farben und Flächen in ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen. „Hommage an das Quadrat“ hieß seine große Serie zu diesem Thema, in der er immer kleinere Quadrate überlagerte.

Albers blieb damit auch bei der strikten Forderung der Fundamentalisten dieser Richtung, für die selbst die Diagonale verpönt war. Doch mit einem derart strengen Selbstverständnis wären der Kunstform doch allzu enge Grenzen gesetzt gewesen, und so kristallisierte sich bald schon ein weiterer Begriff heraus, der viele Formen von Farbe und Linie zuließ, bei dem aber immer noch gültig war: Abbildhaftigkeit, Naturnähe ist auszuschließen, es gilt das rein Geistige, wie Max Bill formulierte.

Wie sinnlich aber bereits strenge Geometrie ausfallen kann, zeigte Anton Stankowski , der sich bald schon der Diagonale widmete. So überlagerte er ein aus bunten Quadraten bestehendes „Schachbrett“ mit farbigen Diagonalen und erzielte ein Flimmern vor den Augen, dass man fast schon an kinetische Kunst denken möchte.

Erst recht gilt das für die Arbeit von Andrzej Nowacki, der ein Relief aus lauter spitzwinklig zulaufenden Diagonalen schuf und ein Flirren der Farben erzielte. Wer meint, die Beschränkung auf geometrische Grundelemente führe zu einer statischen Kunst, ist im Irrtum.

Das gilt erst recht für die Lichträume von Raimund Girke. Er sprüht weiße Farbe in breiten horizontalen Streifen auf einen blauen Grund – und das Auge verliert sich unversehens in einem Geflirre von Lichtwirkungen, die nichts mehr mit Farbe zu tun zu haben scheinen und dennoch allein durch Farbe hervorgerufen werden.

Was als geradezu wissenschaftliche Auseinandersetzung mit geometrischen Grundelementen begann, als Auslotung von Gesetzmäßigkeiten, wie Max Bill es formulierte, als Ordnung von Systemen, entwickelte sich bald schon zur Möglichkeit einer bildnerischen Poesie: Der Mathematiker als Poet, der Systematiker als Bildmagier.

Die Sammlung Teufel, die inzwischen zum Bestand des Kunstmuseums Stuttgart gehört, zeigt ein Potential einer Kunstrichtung auf, das von strenger Kalkulation bis hin zu freiem Spiel reicht.

Mark Francis beispielsweise vergrößert Strukturen, wie man sie durch das Mikroskop sehen kann, und kreiert so ein freies Spiel der Formen und Farben. In jedem Fall aber erfordert eine solche Kunst einen Betrachter, der Mut zur eigenen Position hat, denn die Arbeiten geben keinerlei Hilfe an die Hand. Sie sind frei von Inhalten, erzählen keine Geschichten, bauen ganz auf die Erkundungsfahrt des Auges.

Konkrete Anliegen. Sammlung Teufel“, Kunstmuseum Stuttgart bis 10.9.2017

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