Sie stellten die künstlerische Freiheit des Einzelnen über alles, machten aus Alltagsobjekten Kunst: die Dadaisten. Marcel Duchamp erhob gar ein Pissoir zum Kunstwerk. Demgegenüber zählten für die Vertreter der Konkreten Kunst allein die Linie, die Fläche, das System. Der 1965 geborene Türke Şakir Gökçebağ, der seit zwanzig Jahren in Hamburg lebt und arbeitet, steht gewissermaßen zwischen diesen Polen, wie jetzt eine Ausstellung im Museum Ritter in Waldenbuch zeigt, und schlägt dabei so manche Volte: „Twists and Turns“.
Archiv der Kategorie: Kunst
Malerische Welten: Neue Bilder von Anna Bittersohl in der Galerie Schlichtenmaier
Jedes Kunstwerk, ob Graphik oder Gemälde, ist ein Artefakt. Mag es noch so sehr wie ein perfektes Abbild der Realität wirken, zum Beispiel das Rasenstück von Albrecht Dürer – es besteht doch nur aus ein paar Linien und Farbflecken und ist insofern letztlich ein abstraktes Gebilde. Genau dieses perfekte Changieren zwischen Realitätsnähe und künstlichem Gebilde macht das Wesen der Bilder der Malerin Anna Bittersohl aus.
Bildhauerei? Kubus. Sparda-Kunstpreis 2022
Sie zählt zu den ältesten erhaltenen Kunstwerken überhaupt – die Skulptur, nicht zuletzt, weil sie bereits in der Antike aus Stein hergestellt wurde, daher auch der Begriff, abgeleitet vom lateinischen Verb für „schnitzen“ oder „meißeln“. Nicht durch „Abtragung“ von Material, sondern durch aufbauendes Hinzufügen entstehen Plastiken. Beiden gemeinsam: sie sind raumgreifend, dreidimensional. Im 20. Jahrhundert hat sich das Formen- und Materialspektrum erweitert bis hin zu den Readymades aus Alltagsobjekten eines Marcel Duchamp. Für den alle zwei Jahre verliehenen Sparda-Kunstpreis Kubus wurde diesmal das Thema „Zeitgenössische Bildhauerei“ vorgegeben. Das Kunstmuseum stellt drei Positionen vor: Ulla von Brandenburg, Camill Leberer, Ülkü Süngün.
Kunstgeschichtlicher Parforceritt: „Mit Blick auf Adolf Hölzel“ im Kunstmuseum Reutlingen
Es gab in der Malerei des 20. Jahrhunderts viele Wege in die Abstraktion, präziser: die ungegenständliche Kunst. 1915 präsentierte Kasimir Malewitsch revolutionär nichts als ein schwarzes Quadrat auf weißem Grund, wenige Jahre danach befand Theo van Doesburg, nur Linie, Farbe und Fläche seien die wesentlichen Elemente der Malerei. Andere Künstler gingen von der gegenständlichen Malerei aus und fanden zur Überwindung des Gegenstands durch Abstrahierung. So etwa Adolf Hölzel, der von 1905 an als Professor an der Stuttgarter Kunstakademie die Gesetzmäßigkeiten von Farbe, Linie und Form analysierte und seinen Schülern beibrachte. Von ihm ausgehend versucht nun das Kunstmuseum Reutlingen „zwei Entwicklungslinien der Kunstgeschichte nachzuzeichnen“, die von der auf der „Figur basierenden gegenständlichen Kunst über die Abstraktion zur ungegenständlichen Kunst führen“, so der zentrale Satz eines einführenden Wandtextes.
Raffinierte Schlichtheit: Die Malerei von Çiğdem Aky
„Gehet hin und lernet, mit so einfachen Mitteln so Großes hervorzubringen“ meinte Beethoven einmal über Georg Friedrich Händel. Ohne sie mit diesen Titanen der Musikgeschichte vergleichen zu wollen, könnte man Ähnliches auch über die 1989 geborene Malerin Çiğdem Aky sagen, die diesjährige Stipendiatin der HAP-Grieshaber-Stiftung in Reutlingen. Auf ihren Bildern variiert sie letztlich ein einziges Formprinzip – doch mit welcher Vielfalt, wie ihre Ausstellung „Im Schatten der Bäume“ im Kunstmuseum Reutlingen/Galerie zeigt.
Konfettiregen. 2022 © Çiğdem Aky. Foto: Horst Simschek
Kunst und Landschaft – die Kunststiftung Hohenkarpfen
Mehr als Landschaft erwartet man nicht, wenn man gleich hinter (oder, je nach Richtung, vor) Hausen ob Verena in den asphaltierten Feldweg einbiegt. Links erhebt sich der Bergkegel des Hohenkarpfen, das älteste Naturschutzgebiet Baden-Württembergs, rechts fällt der Hang steil in ein Tal ab. Doch nach der letzten Wegbiegung erblickt man ein altes Gebäude – das Hotel Hofgut Hohenkarpfen, und im Stockwerk unter den Hotelräumen die Kunststiftung Hohenkarpfen. Seit über dreißig Jahren präsentiert sie dort Kunst aus dem deutschen Südwesten. Dass es dazu kommen konnte, verdankt sich gleich mehreren Zufällen.
Kunststiftung Hohenkarpfen, Foto: Horst Simschek
Der Reiz der Pferdestärken: „Autokunst“ im Museum Art.Plus
Je sportlicher, desto besser, je schneller, desto faszinierender – es gilt als der Deutschen liebstes Kind, das Auto, zumindest der männlichen Geschlechts. Stromliniendesign, Metalliclacke, die Vorstellung rasanter Fahrten, Geschwindigkeiten, die an Blitze denken lassen, dazu kräftig aufheulende Motoren, kurz bevor die Wagen dann losdonnern – es sind Klischees, aber durchaus mit realem Hintergrund. „Vollgas“ lautete der Titel einer Ausstellung im Museum Art.Plus in Donaueschingen; jetzt folgte gewissermaßen die Fortsetzung: „Durchstarten“.
Zwischen Harmonie und Entzweiung: Liebespaare bei HAP Grieshaber
Es gibt viele Aspekte, die sich mit dem Namen HAP Grieshaber verbinden lassen. Der gelernte Schriftsetzer war ein Erneuerer des Holzschnitts im 20. Jahrhundert, ein erbitterter Gegner totalitärer Systeme, ein Kämpfer für die Freiheit und für den kleinen Mann. Das Kunstmuseum Reutlingen, das neben der Staatsgalerie Stuttgart über den größten Bestand an Werken von Grieshaber verfügt, zeigt nun eine weitere Facette, die sich durch sein Schaffen zieht – das Verhältnis zwischen Mann und Frau: Liebespaare.
Seelenverwandt – Ralph Fleck und ehemalige SchülerInnen in der Galerie Schlichtenmaier in Dätzingen
„Schlachtet den Vater“ rief 1969 HAP Grieshaber auf und ließ in einer legendären Aktion im Stuttgarter Kunstgebäude vier seiner großformatigen Kohlezeichnungen von Walther Stöhrer, einem seiner Schüler an der Karlsruher Kunstakademie, übermalen. Ein Motiv zu dieser Aufforderung war sein pädagogisches Ziel, nicht Epigonen seiner Kunst heranzuziehen, sondern in seinen Schülern deren Kreativität zu fördern. Dieses Ziel verfolgte auch Ralph Fleck, von 2003 bis 2014 Professor an der Nürnberger Kunstakademie. Dass dabei trotz unterschiedlicher Künstlerpersönlichkeiten doch so etwas wie eine künstlerische Kameradschaft entstand, zeigt jetzt eine Ausstellung in der Galerie Schlichtenmaier in Dätzingen.
Realismus heute? Die Städtische Galerie Fähre in Bad Saulgau zeigt neue „Spielarten“
Am Maler Zeuxis rühmte man im antiken Athen, er habe Weintrauben so naturgetreu porträtieren können, dass Vögel herbeigeflogen kamen, um an ihnen zu picken. Diese Kunst der realistischen Malerei erlebte in der Neuzeit im 17. Jahrhundert in den Niederlanden einen Höhepunkt, als Maler Blumen, Früchte und tote Tiere perfekt auf ihren Silllebenbildern wiedergaben. Mit der Erfindung und Vollendung der Fotografie war jedoch in der Kunst die naturgetreue Wiedergabe als Endzweck obsolet geworden. Eine Ausstellung in der Galerie „Fähre“ in Bad Saulgau zeigt jetzt, dass sie auch im 21. Jahrhundert Künstler reizt, wenn auch nicht als Hauptziel ihrer Malerei.
Tibor Pogonyi, Reflexion. Foto: U. Schäfer-Zerbst