Von ewiger Aktualität: Igor Strawinsky und das Ballett

Er war einer der bedeutendsten Vertreter der Neuen Musik im 20. Jahrhundert: Igor Strawinsky. Dabei hat er sich – mehr noch als sein Vorgänger Tschaikowsky – mit der Kunst des Tanzes auseinandergesetzt. Zusammen mit dem legendären Sergej Diaghilew schuf er Ballettklassiker wie „Feuervogel“, „Petruschka“, „Sacre du Printemps“ und „Pulcinella“. Das Stuttgarter Ballett erkundet in einem neuen Programm, was Strawinsky den Choreographen von heute zu sagen hat: Sidi Larbi Cherkaoui und Demis Volpi steuern neue Kreationen bei, von Marco Goecke kommt sein 2009 in Leipzig uraufgeführtes Ballett „Le Chant du Rossignol“ hinzu.

Le Chant du Rossignol (Ch: Marco Goecke)

 

Gesang der Nachtigall, Choreographie: Marco Goecke.Tänzer: Heather MacIsaac, Roland Havlica © Stuttgarter Ballett

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Bücher in Bewegung. Die neue Marbacher Wechselausstellung

Lesen gilt als einsame, vor allem bewegungsarme Beschäftigung. Man sitzt, man blättert die Seiten um. Bücher gelten als in sich ruhendes Medium: Eine Anzahl von bedruckten (oder handgeschriebenen) Blättern zwischen zwei Deckeln. Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach ist der Inbegriff dieser „Statik“, schließlich ruhen dort Abertausende von Büchern in den Archiven. Und doch hat jetzt ausgerechnet dieses Archiv seine neue große Wechselausstellung „Dem bewegten Buch“ gewidmet.

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Foto: DLA Marbach

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Georgianer ohne George. Ulrich Raulff beschreibt den George-Kreis ohne seinen Meister

Dass große Dichter eine Schar von Jüngern, Verehrern, Epigonen um sich versammeln, versteht sich fast von selbst. Manche dieser Jünger frönen ihrer Begeisterung im Stillen, aus der Distanz, andere suchen die Nähe zum Idol, wie etwa all jene Weimar-Pilger, die dem großen Geheimrat von Goethe ihre Aufwartung machen wollten. Und dann gibt es noch jene Dichter, die ganz bewusst einen Kreis von Adepten um sich scharen. Ein Meister in der Kunst, sich mit einer Corona zu umgeben, war Stefan George, der sich in jeder Beziehung zum Dichtergott stilisierte. Thomas Karlauf hat in einer großen Studie dieses Charisma biographisch herausgearbeitet. Ulrich Raulff hat sich diesem Phänomen auf eine ganz andere Weise genähert. Er zeichnet gewissermaßen das Nachleben dieses Dichters nach: Was passiert, wenn der Mittelpunkt eines solchen Schülerzirkels plötzlich nicht mehr da ist. Wenn der „Kreis ohne Meister“ ist.

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In einer anderen Welt? Finnische Kunst von heute

Bei Finnland denkt man an das Land der 1000 Seen, an Einsamkeit, an die Musik eines Jean Sibelius. Bei Kunst fällt einem der Designer Alvar Aaalto ein, doch ansonsten ist finnische Kunst bei uns unbekannt, sieht man einmal von der Fotografie ab. Jetzt zeigt die Städtische Galerie in Bietigheim anhand von acht Künstlern Gegenwartskunst aus Finnland. „In Other Worlds“ heißt die Schau – bei der man allerdings darauf achten sollte, nicht allzu vorschnell zu interpretieren.

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Aus der Ruhe des Ich. Die Kunst des Julius Bissier

Bei Kunstkennern lässt sein Name in der Regel die Augen leichten, Kunstpreise hat er zuhauf erhalten, von Berlin ebenso wie von Sao Paolo; gleich zweimal war er auf der Kasseler documenta vertreten, desgleichen bei der Biennale in Venedig, wo er sogar eine Sonderausstellung erhielt, in den Kunstlexika wird in höchsten Tönen von ihm geschwärmt – und doch ist er immer noch ein weithin Unbekannter: Julius Bissier, vor 100 Jahren in Freiburg geboren, 1965 in Ascona gestorben. Zurückgezogen arbeitete er am Bodensee, später in Ascona, seine Bilder entstanden nicht selten in den stillen Nachtstunden. „Zeichen der Stille“ heißt eine Ausstellung in der Galerie Schlichtenmaier in Stuttgart.

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A. 29. I. 61

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„Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, spielt weiter.“ Shakespeare und die Musik

Viel hat man Shakespeare angedichtet – kein Wunder, ist er doch die rätselhafteste Figur der Literaturgeschichte, so rätselhaft, dass man heute noch spekuliert, wer eigentlich hinter diesem Namen stecken könnte, denn allzu unglaubwürdig scheint die Tatsache, dass sich ein junger Mann aus der Provinz (aus Stratford) auf den Weg nach London macht, dort innerhalb weniger Jahre zum bedeutenden Theaterdichter avanciert – und möglicherweise zum Liebhaber hochadliger Damen –, dann diesem Theaterleben Adieu sagt und sich wieder nach Stratford zurückzieht. Seine Stücke verraten eine immense klassische Bildung, psychologisches Einfühlungsvermögen, dichterische Ausdruckskraft – und eine große Affinität zur Musik. Ein Kammerkonzert der Oper Stuttgart zeichnet nach, welche Auswirkungen Shakespeare auf die Musikgeschichte hatte.

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Titelseite der ersten Shakespeare-Gesamtausgabe von 1623

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Der Mensch im 20. Jahrhundert. Zum Schaffen des Bildhauers Roland Martin

Ein Handwerksbursche aus dem 19. Jahrhundert steht vor der Kreissparkasse Tuttlingen. Es ist eine Bronzefigur des Bildhauers Roland Martin. Mit offenem Mund steht er da und blickt verständnislos in die Höhe, und von dort blicken ihm von einer Brüstung aus Figuren unseres Jahrhunderts zu. Diese Kombination von Einzelfigur und Gruppenbild ist charakteristisch für die Figurenplastiken von Roland Martin. Eine Retrospektive in der Städtischen Galerie seines Heimatortes Tuttlingen zeigt jetzt fünf Jahrzehnte seines Schaffens, und das stand keineswegs nur im Dienst der Figur.

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Sitzende Josefine,1987. Sitzender auf Stuhl, 2001. Foto Horst W. Kurschat

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Ein Privathaus als Denkmal: Das Theodor Heuss Haus in Stuttgart

Es wäre nicht verwunderlich, wenn derzeit so mancher Freie Liberale in Erinnerung an eine Zeit, da die FDP in der politischen Landschaft der Bundesrepublik nicht selten Zünglein an der Waage war, eine Pilgerreise nach Stuttgart unternähme, in den Feuerbacher Weg 46. Dort steht der Alterswohnsitz, den Heuss 1959 bezog, nachdem er aus dem Amt des 1. deutschen Bundespräsidenten ausgeschieden war. Lange Zeit war ihm dort nicht beschieden, er starb in seinem Schlafzimmer vier Jahre danach. Es wurde nach seinem Tod Sitz des Theodor-Heuss-Archivs, war danach privat vermietet, bis es durch die Stiftung mit dem etwas umständlichen Namen Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus erworben und in ein Museum umgewandelt wurde. 2002 wurde es offiziell eröffnet.

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                                                © Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus. Foto: Bernd Eidenmüller: Theodor-Heuss-Haus, Stuttgart.

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Kunst entsteht im Kopf. Die Klasse Georg Winter in der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen

Die Kunst von Georg Winter findet streng genommen im Kopf statt. Er entwirft Projekte, die im öffentlichen Raum ausgeführt werden können – und oft auch werden. Dass Winter seit 2007 an der Hochschule der Bildenden Künste Saar Plastik und Bildhauerei lehrt, wirkt fast paradox, denn seine Kunst ist temporär, flüchtig. Jetzt ist er mit seiner Studentenklasse Gast in der Städtischen Galerie in Schwenningen, und auch seine Studenten arbeiten in erster Linie mit Projekten. So stand im Vorfeld der Ausstellung denn auch eine Jury, die im Unterschied zu anderen Kunstkommissionen nicht fertige Werke zu begutachten hatte, sondern eben schriftlich beschriebene Projekte, von denen die besten realisiert werden sollten. Doch dabei blieb es nicht.

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                                                                                            Konstantin Felker, Zaun (Foto: Felker)

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Liebe im Totalitarismus. Beethovens „Fidelio“ in der Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito

Zehn Jahre lang mühte sich Ludwig van Beethoven mit seiner einzigen Oper ab. Erst hieß sie „Leonore“, dazu schrieb er drei Ouvertüren, schließlich entstand „Fidelio“ mit einer ganz neuen Ouvertüre. Es ist ein Loblied auf eheliche Treue, denn Leonore rettet, als Mann verkleidet, ihren Mann Florestan aus dem Willkürgefängnis des Gouverneurs Pizarro. Und auch Regisseure tun sich mit dem Werk schwer, nicht zuletzt wegen der langen Dialoge, die vielen als Inbegriff plumper Biederlichkeit gelten. Manche Dirigenten verzichten ganz darauf. Nicht so Jossi Wieler und Sergio Morabito in ihrer neuen Stuttgarter Inszenierung. Sie lassen sie ungekürzt.

Fidelio von Ludwig van Beethoven 25. Oktober 2015 Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling Regie und Dramaturgie: Jossi Wieler, Sergio Morabito Bühne: Bert Neumann Kostüme: Nina von Mechow Licht: Lothar Baumgarte Chor: Johannes Knecht Auf dem Bild:

Rebecca von Lipinski (Leonore), Michael König (Florestan). Foto: A.T. Schaefer

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