Kunst in Zeiten von Corona: Das Krisen-Onlineangebot von Museen und Galerien

Die Oper Stuttgart hat sofort auf Corona und die dadurch verordnete Schließung der Theater reagiert und stellt jede Woche eine ganze Oper per Streaming zur Verfügung, das Sängerehepaar Esther Dierkes und Björn Bürger hat ein kleines Konzert mit beliebten Melodien von Don Giovanni bis My Fair Lady. Im Rahmen der Jungen Oper JOIN stellen Musiker per Video ihre Instrumente vor. Das Ballett präsentiert ebenfalls ganze Werke per Streaming, und für das Schauspiel übernehmen einzelne Schauspieler das Onlineangebot. Aber auch die Kunstinstitute haben ihre Fantasie aktiviert. Hier ein kleiner Überblick über das Geschehen in Württemberg.

Das Kunstmuseum Albstadt müsste eigentlich gar nichts tun, denn wegen Umbaus hätte es auch ohne Corona diesen Sommer geschlossen. Doch es gibt bereits ein Online-Projekt: Die gigantische Sammlung an künstlerischer Graphik (ca. 25.000 Arbeiten) wird sukzessive digital zur Verfügung gestellt. Diese Bemühung wird nun drastisch intensiviert.

https://www.albstadt.de/Aktuelle-Ausstellungen

Nahezu jeden Werktag wird eine Arbeit ins Netz gestellt, versehen mit einer kurzen kunsthistorischen Einführung. So kann man sich regelmäßig einem „Kunstwerk des Tages“ widmen. Man muss nur den Link zu Instagram oder Facebook anklicken, der blau auf der Website hervorgehoben ist.

https://www.albstadt.de/Aktuelle-Ausstellungen

Bei Facebook findet man die Bilder in der Rubrik „Fotos“. Das Werk des Tages am 20.4.: Jeanne Mammens Zeichnung eines arroganten mondänen Paares von 1910.

Eine solche Digitalisierung hat die Staatsgalerie Stuttgart bereits mit einem großen Teil des Bestandes realisiert.

https://www.staatsgalerie.de/g/sammlung/sammlung-digital/nc.html

Unter Sammlung digital kann man die Arbeiten über Künstlernamen aufrufen, außerdem hat die Staatsgalerie Arbeiten unter thematischen Rubriken geordnet. So kann man sich auch die Arbeiten der beiden neuen Ausstellungen über das Bauhaus und Ida Kerkovius auf den Bildschirm holen, wie bei Albstadt jeweils mit einer kurzen Einführung. Allerdings fehlt eine solche Einführung zu den Ausstellungen insgesamt, sodass der Nutzer der Seite in dieser Hinsicht auf sich gestellt ist. Außerdem hat die Staatsgalerie unter der Rubrik „Zuhause“

https://www.staatsgalerie.de/zuhause.html

Zusatzangebote ins Netz gestellt, etwa Videos, in denen die Kulturvermittlerin Sara Dahme Künstler von der frühen Neuzeit bis heute vorstellt.

Ob von gleichem Interesse ist, wie Mitarbeiter oder Freunde der Staatsgalerie mit der Krise umgehen, was man ebenfalls nachlesen kann, ist dagegen eher fraglich.

Das gilt auch für die Homestorys des Kunstmuseums Stuttgart, zumal es sich vorläufig nur um zwei Einblicke in die Arbeit handelt.

https://www.kunstmuseumdigital.de/

Der als Rundgang durch das Museum angekündigte Überblick beschränkt sich auf ein Dutzend einzelner Werke. Die derzeit laufenden Ausstellungen kann man online nicht nachvollziehen.

Das wiederum kann man bei sehr viel kleineren Häusern.

https://galerie.bietigheim-bissingen.de/deutsch/ausstellungen/aktuell/

Die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen beispielsweise bietet zu ihrer neuen Kabinettsausstellung mit Werken von Roland Wesner Fotos mit Raumansichten, ergänzt durch einige Fotos einzelner Werke. Allerdings wäre hier ein erläuternder Text hilfreich, denn es ist etwas anderes, ob man Werke im Original sieht oder am Bildschirm. Zur Ausstellung des Expressionisten Walter Ophey finden sich ähnliche Abbildungen sowie der Flyer und ein eigens für die erzwungene Schließung erstellter Film auf der Grundlage des Audioguides für Kinder.

https://galerie.bietigheim-bissingen.de/deutsch/veranstaltungen/kinder-und-jugendliche/#c43954

Hier kann man mit der Kamera in die Bilder eintauchen, Details entdecken, die man vielleicht bei einem realen Besuch nicht wahrnehmen würde. Mit 25 Minuten ist der Film allerdings für eine Betrachtung am Bildschirm zu lang.

Einen Film bietet auch das Kunstmuseum Heidenheim. Zum 30jährigen Jubiläum des Museums, das in einem ehemaligen Schwimmbad untergebracht ist, haben Künstler und Schüler eine fantasiereiche UnterWasserWelt erstellt.

https://kunstmuseum-heidenheim.de/

Hierzu wurde ein raffinierter 3D-Film hergestellt, mit dem man sich am Bildschirm durch die Ausstellung bewegen kann. Den Film hätte es zwar auch ohne Corona gegeben, doch erhält er nun eine ganz andere Wertigkeit.

Das Kunstmuseum Ravensburg stellt jede Woche auf Facebook und Instagram eine Werkserie der französischen Künstlerin Sophie Calle ins Netz, die mit Fotos, aber auch mit den Texten der Künstlerin bzw. des Museums Themen des Lebens aufarbeitet.

https://www.kunstmuseum-ravensburg.de/

Der Vorzug dieses Angebots: Man kann wie beim Kunstmuseum Albstadt häufiger die Website besuchen, denn das Angebot wird stetig erweitert.

Die Angebote auf Facebook und Instagram, die zahlreiche Institute ohnehin anbieten, sind von ihrem Auskunftsgehalt medial bedingt eher gering, zudem muss man bei Instagram selbst angemeldet sein, um die Bilder hochladen zu können.

Auch die Mitmachangebote zum Basteln und Malen so mancher Häuser sind eher Spielereien für Kinder, die sich zumal relativ schnell erschöpfen, da sie nur in einigen Beispielen zur Verfügung stehen.

Das Württembergische Landesmuseum hat die Coronakrise selbst zum Thema gemacht. Das Haus bittet um Fotos von Gegenständen, die im Rahmen der jetzigen Situation für die Menschen von besonderer Bedeutung sind, von der selbstgebastelten Schutzmaske bis zu dem handschriftlichen Plan, den ein kleines Mädchen für die Familie zur Strukturierung der häuslichen Arbeiten verfasst hat.

https://lmw-corona-alltag.de/home

Alle Fotos sind auf der Website einsehbar, außerdem stellt das Museum täglich ein „Objekt des Tages“ vor, das von einem Mitglied des Hauses in einem Video beschrieben und wissenschaftlich eingeordnet wird. So hat das Museum eine neue Form einer virtuellen Ausstellung entwickelt und gibt zugleich Einblick in die wissenschaftliche Arbeit des Hauses.

Auch Villa Rot bei Ulm hat mit einer eigenen virtuellen Ausstellung auf die Schließung reagiert.

https://www.villa-rot.de/wolf/videoliste-2/

Hier finden sich Videofilme verschiedener Künstler, die sich mit dem Thema Räume auseinandersetzen. Damit hat dieses kleine Ausstellungsinstitut aus der Not eine Tugend gemacht und sehr kreativ neue Formen der Ausstellung entwickelt und perfekt umgesetzt, die zukunftsweisend sein könnten.

Die präziseste und umfassendste Onlinepräsentation einer Ausstellung ist der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen gelungen.

https://www.villingen-schwenningen.de/kultur/staedtische-galerie/aktuelle-ausstellung/power.html

Es begann mit einer umfangreichen Fotodokumentation, die den Vorteil hatte, dass durch die Kameraperspektive einzelne Werke im Vordergrund stehen. Außerdem sind in den Bildunterschriften stets alle Werke angegeben. Ergänzt wurde das durch den Flyer zur Ausstellung und elf Videofilme, in denen die Kuratorin Cora von Pape durch die ganze Ausstellung führt. Das hätte man auch in einem langen Film tun können wie in Bietigheim, doch die kurzen Filme sind sehr viel leichter zu rezipieren.

Einige Häuser warten allerdings auch einfach darauf, bald wieder öffnen zu dürfen. Sie begeben sich dabei der Möglichkeit, neue mediale Erfahrungen zu machen, denn alle Projekte könnten zukunftsweisend werden bei der Vorstellung künftiger Ausstellungen, die sich bislang noch weitgehend auf das Plakat und einen kurzen Pressetext beschränkt. Appetit auf eine Ausstellung macht das in der Regel bei den heute verfügbaren medialen Möglichkeiten nur bedingt.

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