Als Kasimir Malewitsch 1913 der Öffentlichkeit sein Schwarzes Quadrat präsentierte, sorgte er für eine Sensation – für Malewitsch „die Empfindung der Gegenstandslosigkeit“. Damit verwies er auf die Reaktion des Betrachters. Dass Farbfläche nicht einfach nur eine Fläche sein muss, macht eine Ausstellung in der Galerie Schlichtenmaier in Dätzingen augenfällig: „Binnenstrukturen“.
Zwischen Realität und Sakralität: Türen in der bildenden Kunst
Man benutzt sie jeden Tag, ohne sich viel dabei zu denken: Türen. Dabei sind sie symbolhafte Objekte für eine Welt, der wir in unserem realitätsorientierten Alltag keinen Raum gewähren: für das Dazwischen. Sie sind offen oder verschlossen, damit stehen sie für Drinnen oder Draußen, Gefangenschaft oder Freiheit, für Transparenz oder Geheimnis. Ein Auguste Rodin hat sie zum Kunstwerk erhoben – Besucher des Kunsthauses Zürich können sie bewundern. Vor allem die Surrealisten haben sich für das Ambivalente dieses Objekts interessiert, allen voran René Magritte. Wie Künstler von heute die Tür sehen, zeigt eine Ausstellung in Biberach: Geöffnet – Verschlossen.
Zwischen Verzweiflung und Hoffnung: Hans-Jürgen Kossacks Plastiken in der Städtischen Galerie Tuttlingen
„Wir alle fallen“ dichtete Rainer Maria Rilke in seinem Herbstgedicht, und meinte mit dem Herbst sicher nicht den in Süddeutschland so begehrten „Goldenen Oktober“, sondern den November, den Monat des grauen Himmels, des Endes. Im Kirchenjahr ist es der Monat des Gedenkens, mithin auch der Monat des Todes – ein Monat der Trübsal, der Melancholie. All das kommt einem in den Sinn in einer Ausstellung der Städtischen Galerie Tuttlingen mit Werken von Hans-Jürgen Kossack.
Wer bin ich? Künstler befragen sich selbst im Forum Kunst Rottweil
Der Philosoph René Descartes sah es als eine zentrale Institution – das Ich; er setzte es mit der Existenz gleich – ich denke, also bin ich. In der griechischen Mythologie ist ein so auf die eigene Person bezogenes Denken tödlich: Narziss stirbt an seiner Selbstverliebtheit und wird zur Blume – der Narzisse. Was aber ist das Ich – und wie viele gibt es, wie der Schriftsteller Richard David Precht in einem Buchtitel fragt. Das Forum Kunst in Rottweil zeigt in einer Ausstellung Beispiele, wie Künstler das Ich deuten: Ich, ich, ich.
Zum Lesen? Künstler begegnen Büchern in der Städtischen Galerie Bietigheim
Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstießen, meinte einmal im 18. Jahrhundert der Physiker und Meister des Aphorismus Georg Christoph Lichtenberg, und es klinge hohl, dann liege es nicht unbedingt am Buch. Eine Ausstellung in der Städtischen Galerie in Bietigheim zeigt, was herauskommt, wenn Bücher und Künstlerköpfe zusammenstoßen – hohl ist es nicht, aber zum Lesen auch nicht unbedingt: Bibliomania.
Nichts als Farbe: Berge aus der Sicht der Maler von heute
Sie seien Anfang und Ende aller Naturlandschaften, meinte vor hundertfünfzig Jahren der englische Kunstkritiker John Ruskin über die Berge, und Gebirge seien auf erhabene Weise von reizvollem Schrecken schon fünfzig Jahre davor sein Landsmann John Dennis. William Turner hat im 19. Jahrhundert mit seinen Alpenbildern dieses schrecklich Erhabene auf die Leinwand gebannt, zur selben Zeit hat sein deutscher Kollege Caspar David Friedrich im Riesengebirge das Geheimnis- und Schreckenvolle der Bergwelt entdeckt. Dass der Berg auch Künstler von heute fasziniert, zeigt eine Ausstellung in der Galerie Schlichtenmaier: „Der Berg ruft“.
Auf der Suche nach dem Leben: Creations X-XII am Stuttgarter Ballett
Als Demis Volpi am Stuttgarter Ballett seine ersten großen Handlungsballette kreierte, bestand er auf der Mitarbeit einer Dramaturgin, in diesem Fall Vivien Arnold, die auch Ende 2022 in Stuttgart für Edward Clugs Nussknacker-Version diese Funktion ausübte. Volpi wählte sich als Direktor am Ballett am Rhein gleich wieder einen Dramaturgen. Was freilich an Schauspiel und Oper längst unverzichtbar ist, hat sich auf der Ballettbühne noch nicht so richtig durchgesetzt. Dabei wären Dramaturgen ein Gewinn für die Choreographen, bilden sie doch ein mögliches Korrektiv für die reine Kreativität. Das neue Programm am Stuttgarter Ballett scheint das zu belegen.
Alessandro Giaquinto, Ascaresa. Tänzer: Anouk van der Weijde, Timoor Afshar © Roman Novitzky / Stuttgarter Ballett
Nichts ist so, wie es scheint: Jörg Mandernachs bildnerische Verwandlungswelt
„Mutabor“ ist das Zauberwort, mit dem sich in Wilhelm Hauffs Märchen Kalif Storch Menschen in Tiere verwandeln können und auch wieder zurück zu Menschen – wenn alles gut geht. Das Wort steht in einer Reihe mit dem „Sesam öffne dich“ aus Tausendundeine Nacht und dem „Simsalabim“ des Trickzauberers unserer Variétébühnen. Auf das Wort „Mutabor“ trifft man auch in der neuen Ausstellung von Jörg Mandernach in der Städtischen Galerie Tuttlingen – und weiß damit auch schon, worum es in Mandernachs Bildwelten geht: um Verwandlung.
Jörg Mandernach. What you see isn’t what you get, Ausschnitt. Foto: Horst Simschek
Kunst „daheim“: Die Sammlung Kerp im Kunstmuseum Reutlingen/konkret
Man kann Kunst als Wertanlage sammeln, um kunsthistorische Epochen zu dokumentieren – oder aus ästhetischer Freude an Kunstwerken. Letzteres tat das Freiburger Ehepaar Kerp, auch wenn ihre Vorlieben zum größten Teil doch einer Kunstrichtung folgten, allerdings einer Richtung, die offenbar zeitlos ist, der konkret-konstruktivistischen. Die Erbin des Sammlerehepaars hat den größten Teil diese Sammlung dem Kunstmuseum Reutlingen für zehn Jahre zur uneingeschränkten Verwendung zur Verfügung gestellt. Das Museum präsentiert sie in einer ungewohnten Form.
Zeitlose Malerei des 19. Jahrhunderts: Hans Thoma
Er liebte seine Schwarzwälder Heimat – Hans Thoma, 1839 in Bernau geboren – und war ganz der Malerei des 19. Jahrhunderts verpflichtet – was ihn aus heutiger Sicht leicht veraltet wirken lässt. Das ist er sicher auch, doch in einer Ausstellung in der Kunststiftung Hohenkarpfen kann man entdecken, dass auch eine solche ganz ihrer Zeit verhaftete Malerei selbst im 21. Jahrhundert ihre Faszination ausüben kann, sofern es sich um Malerei von Rang handelt. Bei Hans Thoma ist das, zumindest in seinen besten Arbeiten, der Fall.
Meernymphen, o.J., Foto: U. Schäfer-Zerbst